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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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architektonische Gestaltung dieses Gebäudes, das nach der erstmals von Wrieto-San in Los Angeles praktizierten Betonblock-Bauweise konstruiert ist, offiziell zwar McArthur zugeschrieben wird, es aber für jeden, der auch nur den geringsten Sinn für Architektur hat, klar auf der Hand liegt, dass es sich um eines von Wrieto-Sans Bauwerken handelt.
     
    Und dann? Nun, sie war erschöpft und erledigt, und sie hatte ihr Geld, aber trotzdem erwirkte sie in Arizona eine gerichtliche Verfügung gegen Frank wegen aller nur erdenklichen Vergehen, und als er nach Kalifornien ging, folgte sie ihm auch dorthin.
    Es war mittlerweile Herbst, Leora war mit Charles verheiratet, die Palmen entlang des Sunset Boulevard bogen sich im Wind, der knisternd wie Zellophan von den graubraunen Bergen herabfuhr, dörrendheiße Tage, kühle Nächte, ein Geruch nach Rauch in der Luft. Sie rief Jesperson an, einen Mann, der in dem wohligen Bewusstsein mit ihr sprach, bereits für frühere Dienste bezahlt worden zu sein und auch künftig - nicht zu knapp - bezahlt zu werden, und Jesperson nannte ihr eine Adresse in La Jolla, einem Ort im Süden, nicht weit von San Diego, wo ihr Mann sich, wie er sagte, mit seinem Püppchen verkrochen habe. In einem Bungalow. In einer ruhigen Straße. Mit Blick aufs Meer.Sie dachte nicht nach. Nachdenken war etwas für Kleingeister, Rechtsanwälte, Architekten, Bezirksstaatsanwälte. Im Zug von Los Angeles Richtung Süden ging sie in den Waschraum und setzte sich eine Spritze. Alles war sehr hell. Sie sah zu, wie sich vor dem Fenster das Meer verfestigte, bis es aus Malachit hätte sein können, versteinert bis zum Horizont. Leute stiegen ein und aus. Sie lächelte allen zu. Am Bahnhof musste ihr der Schaffner aus dem Zug helfen, denn sie erkannte nichts - Palmen, das flimmernde Meer, es war ihr alles eins -, und nein, der Gepackträger konnte ihr nicht helfen, danke, sie hatte bloß ihre Handtasche dabei, und in der Tasche nur ihre Pravaz, ein halbes Sandwich und einen Zettel mit der Adresse.
    Der Mann im Taxi - warum kam er ihr nur so bekannt vor? - sagte, er wisse, wo das Haus sei, und nach einer schlingernden Fahrt durch ein Gewirr ununterscheidbarer an- und absteigender Straßen, während der immer wieder Hunde angerannt kamen und die Reifen ankläfften, magere Jungen im Unterhemd und mit Baseballhandschuhen auf vertrockneten Rasenflächen an ihnen vorbeiflitzten und die gedrungenen, ziegelgedeckten Haziendas mit gebleckten Zähnen auf Miriam einzustürmen schienen, waren sie schließlich da. Sie sah ein leeres Grundstück, vereinzelte Bäume, Sand, das schonungslose Glitzern des Wassers. »Warten Sie hier«, sagte sie zu dem Taxifahrer, und dann überquerte sie mit unsicheren Schritten das Grundstück, bemüht, in ihren hochhackigen Schuhen das Gleichgewicht zu halten. Sie hatte keinen Plan. Sie wusste bloß, dass er hier war und dass sie hier war und dass das alles aufhören musste. Das Meer roch nach Verwesung. Eine Möwe kam aus dem Nichts herangeschwebt und ließ sich auf dem Dach nieder, ein helles Aufscheinen marmorartiger Federn, das Miriam in den Augen schmerzte. Sand geriet in ihre Schuhe.
    Büschel von Dünengras streiften ihre Beine, und dieses Gefühl versetzte sie an den Strand bei Tokio* zurück, erinnerte sie daran, wie Frank und sie auf dem kühlen feuchten Sand direkt vor der Brandung gepicknickt hatten, um der Schwüle der Stadt zu entkommen, alles so frisch in diesem goldenen Licht auf der anderen Seite der Welt. Frank liebte Picknicks. Liebte Abenteuer und Spontaneität wie ein kleiner Junge, und genau das war er auch und würde es immer bleiben. Frank. Wie sie ihn geliebt hatte. Wirklich. Sie hatte ihn wirklich geliebt.
     
    * Möglicherweise Niijima, der heute besonders bei den Wellenreitern beliebt ist.
     
    Aber hier war das Haus. Sein Haus. Seines und ihres. Niemand reagierte auf ihr Klopfen. Die Haustür - sie versuchte sie zu öffnen - war abgeschlossen, und das war völlig untypisch für Frank. War es das richtige Haus? Auf der Straße vor dem Grundstück saß der Taxifahrer in seinem Wagen und beobachtete sie durch die Windschutzscheibe. Sie erwog, zurückzugehen und sich zu vergewissern, dass er wirklich zur richtigen Adresse gefahren war, aber vielleicht konnte sie ja einfach mal ... durchs Fenster spähen. Vielleicht war ja irgend etwas zu erkennen.
    Einer der Holzschnitte starrte sie an. Der Schauspieler. Der mit dem Schwert und dem auffälligen Muster aus verschachtelten

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