Die Frequenz: Thriller (German Edition)
war. Auf GM s Forderung hin hatte er an alle Beteiligten eine Mitteilung verschickt und darin seinen Auftrag und den Verlauf seiner Reise dargestellt. Das war der erste Austausch in der geistigen Schlacht zwischen ihm und dem Mercury-Team. Doch er hatte es nicht mit gewöhnlichen Menschen zu tun. Sie gehörten zu den scharfsinnigsten, findigsten Geistern der Welt. Die Frage war: Würde er die Wahrheit mit den Informationen, die er besaß, aufdecken können?
Denk positiv, befahl er sich.
Indem er die Szenarien durchdachte wie ein Schachspieler seine Züge, engte er den Kreis der Verdächtigen ein. Nur eine Handvoll Personen hatte die nötigen Mittel gehabt, um sein Unternehmen zu torpedieren, und genauso wenige die Möglichkeit, einen Gen- EP in die Vergangenheit reisen zu lassen. Um das zu bewerkstelligen, brauchte es mehr Leute, höchstwahrscheinlich das gesamte Mercury-Team. Dass der Inflator angeschlossen gewesen war, bewies, dass jemand das System vor kurzem noch benutzt hatte.
Wilson dachte an seine Schilderung in dem Rundschreiben an die Mitarbeiter. Nebenbei hatte er Helena Capriarty erwähnt, aber nicht unter ihrem richtigen Namen. Ihre übersinnliche Verbindung und ihre Unempfänglichkeit für eine optische trakenoide Reaktion musste er erst noch begreifen. Ihre Beteiligung aufzudecken war die einzige Möglichkeit, mehr über die Sache herauszufinden. Andernfalls würden die Antworten mit Geheimhaltungsstufe versehen.
Wilson dachte eine gute Stunde lang über das Problem nach.
Je mehr Leute involviert waren, desto größer waren seine Aussichten, die Verschwörer zu entlarven. Auf dem Gipfel sitzend ließ er sich den Wind um die Ohren pfeifen und dachte an seine Zeitreise wie an einen Traum. Es gab keinen besseren Vergleich. Die Schumann-Frequenz war am 21. Dezember 2012 – am Tag seines Rücktransports – wiederhergestellt worden, und die Zeit erschien wieder ausgedehnt, nicht zusammengedrängt. Er hatte seinen Auftrag ausgeführt; er hatte seinen Teil getan. Doch er war entschlossen, jeden Anflug von Selbstgefälligkeit zu unterdrücken. Er wollte herausfinden, wer Barton ermordet hatte und warum. Erst dann durfte er wirklich zufrieden sein.
50.
Kalifornien, Amerikanischer Kontinent
Enterprise Corporation, Zentrale, 12. Stock
28. Juni 2081
Ortszeit: 19.35 Uhr
36 Tage nach dem Transporttest
Als Wilson das letzte Mal an dieser Stelle stand, hatte er Barton bei sich gehabt – einen Mann, der seltsamerweise sein ganzes Leben beeinflusst hatte. Diesmal jedoch war Wilson allein und stand ohne Bartons Führung vor einer großen Herausforderung. Jetzt hatte er niemanden, auf den er zurückgreifen könnte, und er fühlte sich jämmerlich unvorbereitet. Er holte tief Luft und zwang sich, an die Gebirgslandschaft zu denken. Das Ergebnis war sicher, sagte er sich: Die dreizehn gefeierten Genies hinter dieser Tür hatten keine Chance gegen ihn. Er lächelte. Zwischen einer positiven und einer dämlichen Haltung verlief eine dünne Grenze, befand er.
Er drückte die Türflügel auf.
Der Sitzungsraum des Vorstands war voller Leute. Alle saßen wie verlangt ordentlich auf ihren Plätzen. Die Gespräche verstummten augenblicklich, als Wilson den Raum betrat. Die Atmosphäre war angespannt. Davin, Andre, Karin und Jasper saßen vorne nebeneinander, hinter ihnen in zwei Reihen die übrigen neun Mitglieder des Mercury-Teams. Zwei Plätze waren leer – einer neben Professor Author und einer am Kopf des Tisches, der für GM reserviert war.
Der entspannende Duft frischer Blumen hing in der Luft. Draußen senkte sich die Sonne zum Horizont, und der Himmel bekam eine leichte Färbung.
Wilson kam mit Absicht über eine Stunde zu spät. Er hatte es so lange hinausgezögert, wie er es nur wagte. Jede Sekunde zählte; Author brauchte Zeit, um die Schriftrollen zu entschlüsseln.
Wegen der Wartezeit waren alle angespannt.
Es gibt immer einen Hoffnungsschimmer, dachte Wilson, der wusste, dass die Verschwörer noch mehr Druck verspürten als alle anderen.
Seit dem Transporttest traf er zum ersten Mal das gesamte Mercury-Team an. Jeder grüßte ihn bei seinem Eintreten auf die eine oder andere Art; selbst Andre hob mechanisch die Hand. Ohne eine Miene zu verziehen, ging Wilson zum anderen Ende des Tisches, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Er musste die anderen glauben machen, dass er die Wahrheit bereits kannte.
Der Professor hatte einen kleinen holographischen Bildschirm vor sich, auf dem seitenweise Daten
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