Die Frequenz: Thriller (German Edition)
Höllenloch! Haben Sie das noch nicht gemerkt?«
»Erzählen Sie es mir. Ich bin neugierig.«
George zündete sich eine Zigarette an. »Es ist ganz anders als da, wo Sie herkommen – mit glücklichen Kängurus und so. In Houston gibt’s überall Verbrechen. Man kann niemandem trauen. Wenn man einem den Rücken zudreht und nicht aufpasst, wird man kaltgemacht.«
»Warum bleiben Sie dann hier?«
»Mann, ich kenne mich mit Australien nicht aus, aber hier in Amerika ist das so. Jeder hasst jeden. Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer. Die Schwarzen hassen die Weißen. Die Hispanos hassen die Schwarzen. Die Hinterwäldler hassen die Hispanos. Die Muslime hassen die Christen. Ich verliere den Überblick …« Er stockte und zählte mit den Fingern. »Lassen Sie mich überlegen. Die Armen hassen die Reichen. Die Reichen hassen die Armen. Hatte ich das schon gesagt? Jedenfalls hasst jeder irgendwen. Ich werde Ihnen ein kleines Geheimnis anvertrauen.« George beugte sich vor. »Man hat nur eine Chance, sich aus dem Konkurrenzkampf rauszuhalten. Man muss einfallsreicher sein als die anderen … hinterlistiger. Nur damit verhindert man, in dieser stinkenden Stadt unterzugehen.«
»Hat es auch was Gutes, hier zu leben?«
George überlegte einen Moment. »Die Zigaretten. Aber sie bringen mich um. Wissen Sie was? Die Tage rasen so schnell vorbei, als würden sie ineinander übergehen, und das ist gut. Ich hab nicht die Zeit, mir ständig wegen nichts Gedanken zu machen.«
Wilson sah die Ironie der Lage – das war genau das, was er hier ändern sollte. »Die Zeit vergeht schneller, wenn man älter wird, nicht wahr?«, fragte er.
Georges Augen leuchteten auf. »Das sage ich die ganze Zeit! Es bringt nichts, sich über das Morgen Gedanken zu machen, weil es schneller da ist, als man meint. Und dann muss man schon wieder an den nächsten Tag denken.« George zog die Brauen hoch, als wäre es der tiefsinnigste Spruch seit langem.
Wilson lächelte. »Tja, ich bin froh, dass Sie da sind, George Washington. Sie haben mir wirklich geholfen.«
George zog genüsslich an seiner Zigarette. »Ich weiß. Sie werden es kaum glauben, aber ich hab nicht viele weiße Freunde, wo ich doch so charmant bin.«
»Ist das wahr?«
George wirkte nachdenklich. »Ja.«
»Nun, George Washington, es sieht so aus, als hätten Sie jetzt einen mehr.«
George warf die Rastalocken zurück und bedachte Wilson mit einem kühlen Blick. »Werden Sie nicht eingebildet, Love Machine. Ich hab nie gesagt, dass wir Freunde sind.«
13.
Houston, Texas
Memorial Towers, 14. Etage
26. November 2012
Ortszeit: 13.26 Uhr
Unternehmen Jesaja – zweiter Tag
Jetzt war es offiziell, schloss Helena, ihre Medizin war vollkommen nutzlos. In der vergangenen Nacht hatte sie zwei Beruhigungspillen genommen, weil Julia darauf bestanden hatte, doch die Pillen hatten die Visionen nicht verhindert und ihr stattdessen zusätzlich eine Migräne beschert. Sie war wütend. Zwei Monate ging das schon so. Zwei Monate!
Helena schritt vor der Glaswand auf und ab und drückte sich ein schnurloses Telefon ans Ohr. Sie wartete seit mehr als zwanzig Minuten und wurde von einem Dezernat ins nächste verbunden. Schließlich bekam sie Detective Olsen an den Apparat. Er war mehr als entgegenkommend.
Ihre Stimme war wie Sirup. »Vielen Dank, Detective, ich weiß das wirklich zu schätzen. Wie gesagt, es war nur ein kleiner Unfall, und ich brauche die Einzelheiten für meine Versicherung, wenn es möglich wäre.« Sie hatte den ganzen Vorfall erfunden, um an die Informationen zu gelangen, die sie haben wollte.
»Wirklich, es macht mir nichts aus zu warten.« Helena wechselte aufs andere Ohr. »Komm schon«, murmelte sie. Bei einem Blick auf die Uhr sah sie, dass Dr. Bennetswood jeden Moment erscheinen würde.
Die Bilder waren lückenhaft, doch sie erinnerte sich an einen alten weißen Ford. Aus irgendeinem Grund gehörte das Nummernschild – DRO -735 – zu den wenigen Details, die Helena sich ins Gedächtnis rufen konnte. Die Medizin erschwerte die Erinnerung, und sie fürchtete, dass sie Fakten verdrehte, wenn sie sie erzwingen wollte. Doch da sie sich ein bisschen mit Autos auskannte, vermutete sie, dass es ein Ford Impala gewesen war, wahrscheinlich ein spätes 70er Modell.
Nach ihren Visionen der vergangenen Nacht hatte der Mann, den sie immer sah, den Unfall irgendwie überlebt. Das war die einzige Erklärung. Er war am Leben, wenn auch schwer verletzt – und sie war noch mit
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