Die Frequenz: Thriller (German Edition)
sich eine Notiz.
Helena wurde ungeduldig. Sie musste nach Bordersville, und sie bezweifelte, dass sie dieses Gespräch noch eine Stunde lang ertragen würde.
»Wie viele Tabletten und wann?«, fragte der Doktor.
»Gestern Abend habe ich zwei genommen.«
Er verzog das Gesicht. »Das hätte genügen sollen.«
Die Sitzung ging noch gut zwanzig Minuten so weiter, und Helena gab sich alle Mühe, überzeugend zu erscheinen. Doch je mehr er mit ihr sprach und sie ausfragte, desto mehr Angst hatte sie, das Haus zu verlassen.
»Ihr Vater sagt mir, Sie hätten gestern Visionen gehabt, während Sie wach waren.« Dr. Bennetswood drehte seinen Brillantring am Finger. »Warum erzählen Sie mir nicht davon?«
Helena war überzeugt, er würde daraus schließen, dass sie sich die Vorfälle aufgrund ihres früheren Traumas bloß einbildete.
»Möchten Sie nicht darüber sprechen?«
»Tut mir leid, Doktor. Vielleicht können wir uns morgen wieder treffen …?«
»Sagen Sie mir, was Sie empfinden. Das könnte Ihnen helfen.«
Das Letzte, was Helena zugeben wollte, war die übersinnliche Verbindung mit einem Mann, den sie gar nicht kannte – den sie zuerst für tot gehalten hatte und der es offenbar nicht war. Deshalb antwortete sie: »Tut mir leid, Doktor. Ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen soll.«
»Versuchen Sie es, Helena. Es könnte nützlich sein.«
»Entschuldigen Sie, Doktor«, seufzte sie. »Ich bin erschöpft. Bitte, können wir einen Termin für morgen vereinbaren?« Sie stand auf, um die Sitzung zu beenden.
Bennetswood wirkte verständnisvoll. »Ich finde, wir sollten das Gespräch fortsetzen. Sie wissen, dass ich in zwei Wochen Urlaub habe. Ich werde gut einen Monat lang weg sein. Wir sollten die Gelegenheit nutzen. Es wäre viel besser, wir würden fortfahren.« Er verschränkte die Arme und richtete sich auf ein längeres Gespräch ein. »Ich meine, es ist an der Zeit, wieder über Ihre Mutter zu sprechen.«
Helena konnte sich nicht zurückhalten und verdrehte die Augen.
»Wir müssen darüber reden, Helena. Es ist Zeit, dass Sie sich dem stellen, was passiert ist.«
Helena drehte sich weg. Sie wollte, dass er ging, damit sie nach Bordersville fahren und diesen George Washington finden konnte. Sie gähnte demonstrativ.
»Doktor, ich weiß, wie wichtig das ist. Wirklich. Aber im Augenblick fühle ich mich nicht danach. Bitte verzeihen Sie.« Sie ging auf ihr Schlafzimmer zu.
»Ehe Sie hineingehen …« Er griff in seine Tasche, holte eine orangefarbene Plastikflasche mit Tabletten heraus und stellte sie auf den Sofatisch. »Die sind ein bisschen stärker als die anderen. Damit werden Sie ganz bestimmt schlafen.« Er erklärte genau, welche Wirkstoffe sie enthielten und was sie bewirkten. »Wenn Sie eine genommen haben, dürfen Sie achtundvierzig Stunden lang nicht Auto fahren oder schwimmen. Und auch keine schweren Maschinen bedienen.« Er grinste sie an, als wäre das besonders lustig. »Aber das wird kaum vorkommen, würde ich sagen.«
Helena dankte ihm würdevoll und beschloss zugleich, keine einzige Pille zu nehmen.
Der Doktor schaute auf seine Rolex. »Ich werde einfach hier warten, wenn’s recht ist. Ihr Vater wird bald hier sein. Ich wollte ihn kurz auf den neuesten Stand der Dinge bringen.«
Der bloße Gedanke, dass diese beiden Männer über ihre Zukunft redeten, machte Helena wütend, doch sie brachte eine höfliche Erwiderung zustande. »Fühlen Sie sich wie zu Hause.«
Sie blickte zu dem Fläschchen mit den Beruhigungspillen, und die Zeit verlangsamte sich zum Schneckentempo. Ich muss mein Leben in den Griff bekommen, dachte sie, als wäre das eine neue Offenbarung. Widerwillig nahm sie die Pillen vom Tisch. Wenn ihr Vater erst da war, würde sie das Haus nicht mehr verlassen können. Vom Schlafzimmer kam man nur durchs Wohnzimmer nach draußen. Sie würde sich beeilen müssen, denn Lawrence kam häufig früher.
»Ich werde mit Julia sprechen und für morgen einen Termin abmachen«, sagte Dr. Bennetswood. »Wann passt es Ihnen?«
»Der Nachmittag wäre mir lieber«, sagte sie.
»Und machen Sie sich keine Sorgen«, fügte er hinzu. »Gemeinsam werden wir herausfinden, warum Sie nicht schlafen können.«
Helena verließ das Zimmer, warf die Pillen aufs Bett und zog eine schwarze, dreiviertellange Jacke an. Sie schloss den Waffenschrank auf, wählte eine Pistole, drehte sie geschickt um den Zeigefinger und steckte sie in das Holster, das in den Jackensaum eingenäht war.
Es war Zeit,
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