Die Frequenz: Thriller (German Edition)
Morgen zuvor. Der nächste Schlag traf Wilson an der Seite des Kopfes. Er konnte sich nicht gleichzeitig wehren und seine Brille festhalten. Er überlegte rasch, zog seine drei Dollarscheine aus der Tasche und stopfte sie dem Schläger ins Hemd.
Wie aufs Stichwort verlegte sich das Gerangel auf den neuen Besitzer.
Wilson löste sich aus der Menge, doch Graubart drängte ihm hinterher, angetrieben von dem unbezwingbaren Impuls anzugreifen. Obwohl ihm die anderen Bettler ins Hemd griffen und daran rissen, dass die Knöpfe absprangen, war Graubart nur auf eines aus: Wilson um jeden Preis zu fassen zu bekommen.
Ein Dollarschein rutschte aus seinem Hemd und segelte zu Boden. Augenblicklich stürzten sich einige Männer darauf wie Footballspieler auf den Ball.
Das war Wilsons Chance. Er rannte so schnell er konnte, sprang über zwei am Boden kriechende Bettler und entkam Graubarts ausgestreckten Händen.
Die schrillen Pfiffe kamen derweil näher.
Wilson landete auf den Füßen und war frei. Über Pappkartons sprintete er auf die Bahnhofstür zu und stieß wenigstens drei Bettler um, die ihm in die Quere kamen. Mit einem verzweifelten Satz hechtete er in die Drehtür, verlor das Gleichgewicht und rutschte auf dem Bauch in die leere Halle.
Schwer atmend, das Gesicht auf dem glänzend glatten Boden, blieb er liegen. Durch die schmutzigen Scheiben der Drehtür sah er vier kräftige, gut gekleidete Sicherheitsleute mit langen schwarzen Schlagstöcken. Im Mund hatten sie silberglänzende Pfeifen, durch die sie fortwährend bliesen. Jeder Vagabund, der sich der Drehtür nähern wollte, wurde gnadenlos niedergeschlagen.
Wilson blickte sich nach Graubart um, doch der war nirgends zu sehen.
Unerwartet sprach jemand ihn an. »Geht es Ihnen nicht gut?«
In der spiegelnden Glasscheibe konnte Wilson zwei Polizisten in schwarzer Uniform hinter sich sehen, mit gezogener Waffe. Während er sein Schnaufen mühsam unterdrückte und die Sonnenbrille zurechtrückte, drehte er sich zu ihnen um. Dabei spähte er hinter seinen dunkel getönten Gläsern nach dem nächsten Ausgang.
»Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte der Sergeant noch einmal.
Wilson rieb sich den Hinterkopf. »Die Kerle wollten mich ausrauben.«
»Der Haupteingang ist viel sicherer«, empfahl der Sergeant und zeigte in die entgegengesetzte Richtung. »Besser, Sie gehen von jetzt an dort rein.« Wilson ahnte nicht, dass in der Brusttasche des Polizisten das Fahndungsbild eines Flüchtigen steckte, das ihm genau glich.
Draußen auf dem Vorplatz schien alles wieder seinen gewohnten Gang zu nehmen, und Graubart war aus dem Blickfeld verschwunden. Vor der Tür standen Sicherheitsleute. Die Angreifer hatten sich in ihre Pappbehausungen zurückgezogen, um drei Dollar reicher.
Wilson stand vorsichtig vom Boden auf, und ein Polizist half ihm auf die Beine.
»Denen gefiel Ihr Aufzug nicht besonders, Love Machine«, merkte er erheitert an.
Wilson schaute neugierig an sich hinunter. »Das ist ein Geschenk.«
»Die Typen können ein bisschen heikel sein, was Mode angeht«, meinte der Polizist.
Der Sergeant steckte seine Waffe weg; dann zeigte er auf Wilsons Mundwinkel. »Sie bluten da ein bisschen.«
Wilson wischte sich über die Stelle und hatte einen blutigen Streifen in der Handfläche, worauf er den Ärmel auf die Lippe drückte, um das Blut zu stoppen.
»Sie müssen demnächst durch den Haupteingang kommen«, sagte der Sergeant noch einmal.
Wilson versuchte, ganz ruhig zu bleiben. »Ja, klar, den werde ich bestimmt nicht wieder benutzen.« Schweiß auf der Stirn, schlich er auf die Schalterhalle zu. Sobald er um die Ecke gebogen war, atmete er wieder heftiger. Er war mit den Nerven am Ende.
Vor dem Fahrkartenschalter stand niemand, und er klopfte ungeduldig gegen die Scheibe, bis eine korpulente schwarze Frau von ihrem Schreibtisch aufstand und zu ihm gewatschelt kam. Er legte die Kreditkarte in die Schalterablage.
»Einfache Fahrt nach Mexico City«, verlangte er und blickte nervös zur Wanduhr.
»Mexico City?«, wiederholte sie mit tiefer Stimme und beäugte ihn dabei mit einem Blick, den er als Zweifel deutete. Er wischte sich Schweiß und Blut vom Kinn und erwiderte ihren Blick so kühl wie ein Nachrichtensprecher.
»Gibt es ein Problem?«, fragte er.
Sie wandte sich kurz ihren Fingernägeln zu. »Nein … nein, kein Problem.« Die Frau tippte etwas in den Computer ein, wobei sie sehr darauf achtete, nicht zu fest auf die Tasten zu drücken.
»Geben Sie mir
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