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Die Frequenzen

Die Frequenzen

Titel: Die Frequenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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kann) ruckartig vor und zurück, und ich spürte die verheißungsvolle Härte absoluten Vakuums.
    – Oh Gott, stammelte ich. Wie … wie …
    – Puaaah.
    Lydia entließ meinen Penis, atmete ein paar Mal tief durch und nahm ihn ein zweites Mal in den Mund. Diesmal brauchte sie länger, bis sie die besondere Leerlauf-Schluckbewegung (die geheime Zutat dieses atemberaubenden Zaubertricks) hinbekam, und wieder schlitterte ich mit der ganzen Länge in ihren Hals. Ihre Zähne berührten meine Hoden.
    –
Ng
, machte Lydia.
    Drei, vier, fünfeinhalb Pumpbewegungen genügten und ich kam. Mein Sperma spritzte Gott weiß wohin, in sie, in ihren Kopf, ein entsetzliches, herrliches, Funken sprühendes Sakrileg.
    – Hat das geholfen?, fragte sie, als es vorbei war.
    – Was?, fragte ich benebelt.
    Sie hätte mich genauso gut fragen können, wie der Innenminister der Ukraine hieß.
    – Zu viel Energie kann einen umbringen, sagte sie. Weißt du?
Chchchrrrr!
Mmh.
    Sie blickte sich im Zimmer um. Auf dem Tisch fand sie eine Packung Taschentücher, faltete eines auf und spuckte hinein. Sie betrachtete den Fleck eingehend, drehte das Taschentuch hin und her, dann knüllte sie es zusammen und warf es mir in den Schoß.
    – Wie … wie hast du das gemacht?, fragte ich dumm.
    Ich ließ das Taschentuch, für das ich keine Verwendung hatte, zwischen meinen Knien auf den Boden fallen. Ich zog mir die Unterhose über mein Glied, das immer noch steif war und vergeblich zu begreifen versuchte, was mit ihm geschehen war.
    – Übung, sagte sie. Übrigens, wenn du schon einmal hier bist. Weißt du noch, die Disco, wo wir früher immer hingegangen sind? Die haben wieder offen. Ich bin da gestern vorbeigefahren und hab das Schild gesehen. Wollen wir?
    – Ich weiß nicht, ich wollte eigentlich –
    Aber alle vorbereiteten Sätze waren verschwunden. Abgesaugt, ausgespuckt.
    – Ach, komm schon, das geht schon in Ordnung. Ist kein Rendezvous, versprochen.
    Eine Stahltoilette auf einem LSD-Trip. Keine Fenster, dumpf wummernde Drumbeats, als wären die dünnen Wände der Klokabine von Blutgefäßen durchzogen, die bei der geringsten Berührung bersten. Flackerndes Licht wie eine in der Lampenschale gefangene Fledermaus. Überall auf den schmutzigen Fliesen: Mobiltelefonnummern, manche davon ohne Vorwahl.
    Im Spiegel ein unreifes, verschwitztes Gesicht.
Elender Feigling. Kein Wunder, dass du nie bekommst, was du willst.Du weißt eben nicht, was du mit deinem Leben anfangen lassen sollst
.
    Anfangen lassen?
    Das Gesicht zweifelte an der Richtigkeit dieser Formulierung, blickte noch ein paar Sekunden auf sein Double, erlaubte sich ein unerwidertes Blinzeln, dann streckte ich meine Hände unter den Wasserhahn, der durch einen Bewegungsmelder aktiviert wurde. Angenehm. Bloß nichts berühren. Schmutz, Keime, fremde Spermien. Bauplan für ein ganzes Leben.
    Das Gesicht betrachtete sich noch einmal im Spiegel. Es war nur ein Gesicht. Gerötet, feige und ohne Zukunft.
    Ich ging zurück zu Lydia, tauchte wieder in den innersten Kreis der Disco ein, wo es am lautesten war und sich vor meinen Augen flimmernde Gestalten unter dem donnernden Lärm der Lautsprecherboxen krümmten und ekstatisch auf und ab sprangen, als schieße jemand mit einer MG auf den Boden unter ihren Füßen. Ein Jugendlicher hatte die Augen in seinem großen, krebsroten Gesicht fest geschlossen und ruderte zum Rhythmus der Musik wild mit seinen Armen, als wollte er ein Loch in die Luft schaufeln. Ein anderer spielte seine Zeigefinger aus, deutete zuerst mit der linken, dann mit der rechten Hand im Takt zur Decke, dann geradeaus, als hätte er jemanden erkannt, dann wieder zur Decke, wo futuristische Lampen in verschiedenen Farben Blitze durch den Raum jagten, in denen die Bewegungen der Tanzenden zu einer Serie von Schnappschüssen wurden.
    Lydia stieß mich auffordernd an.
    Ich schüttelte den Kopf: Nein, ich will jetzt nicht tanzen.
    Sie stieß mich ein zweites Mal an: Ach, komm schon.
    Nein, schüttelte ich meinen Kopf ein wenig bestimmter.
    Jetzt komm schon, zogen ihre Finger an meinem Ärmel.
    Nein, sagten meine Augen, die kurz zu Boden blickten. Aber geh du ruhig, wenn du magst, ergänzte meine Hand.
    Lydia wartete, ob ich mittels Zeichensprache auch so etwas wie eine Begründung geben würde, dann wandte sie sich ab und ging mit ihren vorsichtigen, kleinen Schritten allein auf die Tanzfläche.
    Ich sah sie in den sich bewegenden, einander streifenden Gliedmaßen untergehen, sie war

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