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Die Frequenzen

Die Frequenzen

Titel: Die Frequenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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Zusammenbruch nur langsam. Wolfgang, der wusste, dass er und nur er schuld war, versuchte sie, so gut es ging, wieder an seine Anwesenheit zu gewöhnen. Er setzte sich zu ihr in ein Zimmer und beobachtete sie. Er machte ihr Komplimente und entschuldigte sich an manchen Abenden unaufgefordert bei ihr und zählte ihr lang und breit auf, was er seiner Meinung nach alles falsch gemacht hatte. Sie wollte es meist nicht hören.
    Das Einzige, worüber sie sich lange mit ihm unterhalten konnte, war das Baby. Wolfgang musste zugeben, dass das ein ziemlich guter Gesprächsgegenstand war. Die kleine Sandra. Er konnte den Namen nicht denken, ohne zu lächeln.
    Geduldig und sehr behutsam versuchten sie beide alles, um wieder zueinander zu finden. Aber der Weg war voller Fallen. Manchmal traten sie mitten im Satz auf eine Mine und verstummten, während das Gesicht des anderen sich im Widerschein der Explosion verdunkelte. Wolfgang ließ sich von Gabi die einfachsten Regeln im Umgang mit dem Baby erklären, obwohl ihm schon nach den ersten Sätzen klar war, dass seine Frau nicht die geringste Ahnung hatte, wovon sie sprach.
    Hin und wieder verfiel sie in lange Abwesenheiten, aus denen sie völlig verwandelt zurückkehrte. Dann sprach sie mit schneller, hoher Stimme oder erwähnte Menschen, deren Namen Wolfgang noch nie im Leben gehört hatte.
    Und ein weiteres Problem drängte sich auf. Gabi lag nunschon seit einer Stunde in der Badewanne und Wolfgang hatte das lächerlich starke Bedürfnis, seine Frau nackt zu sehen. Aber seit er zu ihr zurückgekehrt war, schämte er sich vor ihr und wich Intimitäten aus. Um Mut zu fassen, umklammerte er seine Trillerpfeife. Dann klopfte er ausgiebig und hörbar und trat ein.
    Gabi lag nackt in der Wanne. Wolfgang sah ihr nasses Haar, das in Spiralen in den Schaum fiel, ihre Schultern, die kleine rosa Insel ihres angewinkelten Knies. Immer noch kam er sich fremd vor. Er gehörte ebenso wenig zu ihrem Leben und seinen Notwendigkeiten wie ein zwischen zwei Seiten zerquetschtes Insekt zum Symbolvorrat eines Buches.
    Ein großer, nervöser Fremdkörper bewegte sich vorsichtig durch das Badezimmer.
    – Ich wollte nur was holen, sagte er.
    Er traute sich nicht, den Blick abzuwenden, da er nicht wusste, wie sie es auffassen würde. Natürlich fand er sie immer noch schön.
    Ihr glänzendes Knie verschwand im Wasser. Er kramte in dem winzigen Schrank über dem Waschbecken, fand etwas, ein halbwegs glaubhaftes Alibi, und wandte sich zum Gehen. Sie hatte sich vor ihm geschämt. Das bedeutete nichts Gutes.
    – Willst du auch?, fragte sie die sich langsam auflösende Schaumschicht in der Wanne. Ich kann den Stoppel drin lassen.
    Wolfgang blieb stehen. Schaum, überall.
    – Nein. Nein, danke. Ich weiß, ich war nicht wirklich viel da für dich in der aller … in der schwierigsten Zeit, sagte er. Ich werde mich bemühen.
    Er bemerkte, dass er zu der Tür sprach, die einen Spaltbreit offen stand. Was würde sie machen, wenn … abernein, er konnte nicht einfach plötzlich zu ihr in die Wanne steigen, angezogen wie er war.
    – Ich war nicht viel draußen, antwortete sie, obwohl das nichts mit seinem Satz zu tun hatte.
    Er hörte, wie sie hinter ihm in der Wanne aufstand. Er hob eine Hand an sein Ohr. Nicht weiter, sagte seine Hand, bitte. Er wusste nicht, warum ihm diese Situation unangenehm war. Seine Bitte wurde erhört, der Wasserstrahl der Brause zischte hinter ihm los, verschluckte alles, schlaf wieder ein, und spülte den restlichen Schaum mit dem darin eingeschlossenen Schmutz des Tages von Gabis nacktem Körper. Und er hatte sich immer noch nicht zu ihr umgedreht.
    Die Wohnung empfing ihn mit Kälte, als träte er aus einem Traum heraus. Hinter ihm klopfte es.
    – Wolfgang? Stehst du noch vor der Tür?
    Ihre Stimme klang müde und emotionslos.
    – Ja, ja.
    – Hier sind keine Handtücher. Kannst du schnell ins Zimmer gehen und mir –
    Ein Stromstoß von Glück – wie von Sinnen rannte er ins Schlafzimmer und wühlte mit zitternden Händen im Schrank, fand ein Handtuch, das zu klein war, eines mit einem hässlichen Loch, dann eines, dass viel zu rau war für ihre zarte, zerbrechliche Haut. Aber da war ein weiches – Er zerrte es unter all den anderen hervor und rannte zurück. Schnaufend reichte er es seiner Frau durch den Spalt.
    Er blieb in der Dunkelheit stehen, wusste nicht wohin. Wenn er stillhielt und für einen Moment nicht atmete, hörte er, wie sie sich schweigend mit seinem Handtuch

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