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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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dein Notar hat ganz recht daran getan, den Namen des Bevollmächtigten offenzulassen, denn allem Anschein nach konnte ich dich nicht vertreten: Frauen sind von diesen Dingen ausgeschlossen ... Wie ich dir schrieb, habe ich mich gleich nach meiner Ankunft mit diesem Pariser Anwalt ins Einvernehmen gesetzt, der dir einen Auszug aus dem Testament geschickt hatte, in dem du als Vormund genannt warst. Sogleich hat er die Vollmacht auf den Namen seines Bürovorstehers ausgestellt, was oft geschieht, wie er mir sagte. Und so konnten wir die Sache in Angriff nehmen ... Beim Friedensrichter habe ich als Familienrat drei Verwandte von Lisas Seite bezeichnen lassen, zwei junge Cousins, Octave Mouret und Claude Lantier, und einen angeheirateten Cousin, Herrn Rambaud, der in Marseille wohnt; von unserer Seite, der Seite Quenu, habe ich die Neffen Naudet, Liardin und Delorme genommen. Du siehst, das ist ein sehr annehmbarer Familienrat, mit dem wir zum Wohl des Kindes machen werden, was wir wollen ... Dann haben sie bei der ersten Sitzung den Gegenvormund ernannt, den ich zwangsläufig unter Lisas Verwandten gewählt hatte, Herrn Saccard ...«
    »Pst! Sie wacht auf«, unterbrach Lazare.
    Tatsächlich hatte Pauline soeben die Augen ganz weit geöffnet. Ohne sich zu rühren, betrachtete sie mit verwundertem Ausdruck diese Leute, die da redeten; dann ließ sie mit einem schlaftrunkenen Lächeln in unüberwindlicher Müdigkeit die Lider wieder herabsinken, und ihr regloses Antlitz nahm von neuem die milchige Durchsichtigkeit einer Kamelie an.
    »Dieser Saccard, ist das nicht der Spekulant?« fragte Chanteau.
    »Ja«, erwiderte seine Frau. »Ich habe ihn aufgesucht, wir haben uns unterhalten. Ein reizender Mann ... Er hat so viel Geschäfte im Kopf, daß er mir gleich gesagt hat, ich solle nicht auf seine Mitwirkung rechnen ... Du verstehst, wir brauchen niemand. Da wir nun mal die Kleine zu uns nehmen, nehmen wir sie auch ganz zu uns, nicht wahr? Ich habe es nicht sehr gern, daß man die Nase in meine Angelegenheiten steckt ... Und das übrige war dann schnell erledigt. Deine Vollmacht führte glücklicherweise alle notwendigen Befugnisse im einzelnen auf. Man hat die Siegel abgenommen, die Bestandsaufnahme gemacht, die Fleischerei versteigert. Oh, ein Glück! Zwei wütende Konkurrenten, neunzigtausend Francs in bar! Der Notar hatte schon sechzigtausend Francs in Wertpapieren in einem Möbelstück gefunden. Ich habe ihn gebeten, noch mehr Wertpapiere zu kaufen, und hier haben wir nun hundertfünfzigtausend Francs in sicheren Werten; ich war sehr froh, sie gleich mitbringen zu können, nachdem ich den Bürovorsteher von der Vollmacht entbunden und ihm die Empfangsbestätigung für das Geld übergeben, um deren postwendende Übersendung ich dich gebeten hatte ... Da, seht euch das an!«
    Sie hatte ihre Hand wieder in die Tasche versenkt und holte ein umfangreiches Paket daraus hervor, das Paket mit den Wertpapieren, das zwischen die beiden Pappdeckel eines alten Rechnungsbuches der Fleischerei geklemmt war, aus dem man die Seiten herausgerissen hatte. Der Buchdeckel mit den großen grünen Marmorierungen war mit Fettflecken gesprenkelt. Und Vater und Sohn betrachteten dieses Vermögen, das auf die abgenutzte Decke ihres Tisches herniederfiel.
    »Der Tee wird kalt, Mama«, sagte Lazare und ließ endlich seine Feder los. »Ich gieße ihn ein, nicht wahr?«
    Er war aufgestanden und füllte die Tassen. Die Mutter, deren Augen auf die Wertpapiere starrten, antwortete nicht.
    »Natürlich«, fuhr sie langsam fort, »habe ich in einer letzten Zusammenkunft des Familienrates, die ich angeregt habe, die Rückerstattung meiner Reisekosten verlangt, und das Kostgeld für die Kleine ist auf achthundert Francs festgesetzt worden ... Wir sind nicht so reich wie Pauline, wir können ihr keine Almosen geben. Keiner von uns würde an diesem Kind verdienen wollen, aber es fällt uns schwer, von dem Unsrigen zuzuschießen. Die Zinsen aus ihren Wertpapieren werden wieder angelegt, und bis sie großjährig ist, hat sich ihr Kapital fast verdoppelt ... Mein Gott! Wir erfüllen nur unsere Pflicht. Man muß den Toten gehorchen. Wenn wir außerdem von dem Unsrigen zuschießen, nun ja, so wird uns das vielleicht Glück bringen, und das haben wir dringend nötig ... Die arme Kleine ist so erschüttert gewesen, und sie schluchzte so sehr, als sie von ihrem Hausmädchen Abschied nahm! Ich will, daß sie bei uns glücklich ist.«
    Die beiden Männer waren von

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