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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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war vor ihrer Nase liegengeblieben.
    »Ach, Sie sind es!« sagte Chanteau. »Das ist aber nett von Ihnen, ich vergnüge mich nicht gerade übermäßig, so allein ... Nun, Doktor, geht es ihr besser? Oh, ich beunruhige mich nicht, sie ist die Gesündeste im Haus, sie wird uns alle begraben.«
    Der Doktor hielt die Gelegenheit für günstig, ihn aufzuklären.
    »Gewiß, ihr Zustand scheint mir nicht sehr bedenklich ... Nur finde ich sie recht geschwächt.«
    »Nein, nein, Doktor!« rief Chanteau aus. »Sie kennen sie nicht. Sie hat eine unglaubliche Spannkraft ... Binnen drei Tagen werden Sie sie auf den Beinen sehen.«
    Und er weigerte sich zu begreifen, in seinem Bedürfnis, an die Gesundheit seiner Frau zu glauben. Da der Arzt ihm nicht auf rücksichtslose Weise sagen wollte, wie die Dinge standen, mußte er schweigen. Im übrigen konnte man ebensogut noch warten. Die Gicht ließ ihn zum Glück ziemlich in Ruhe, ohne allzu heftige Schmerzen, nur die Beine wurden mehr und mehr befallen, so daß man ihn vom Bett zu seinem Sessel tragen mußte.
    »Wenn nicht diese verfluchten Beine wären«, sagte er ein paarmal, »würde ich hinaufgehen und sie besuchen.«
    »Bescheiden Sie sich, mein Freund«, sagte Abbé Horteur, der seinerseits daran dachte, sein Trösteramt zu erfüllen. »Jeder muß sein Kreuz tragen ... Wir stehen alle in Gottes Hand ...«
    Doch er bemerkte, daß diese Worte, weit entfernt, Chanteau zu erleichtern, ihn eher langweilten und ihn schließlich sogar beunruhigten. Und so brach er, rechtschaffen wie er war, seine vorgefertigten Zuspruchsformeln ab und bot ihm eine wirksamere Zerstreuung an.
    »Wollen Sie eine Partie spielen? Das wird Sie auf andere Gedanken bringen.«
    Und er ging selber das Damebrett von einem Schrank holen. Entzückt drückte Chanteau die Hand des Doktors, der ging. Schon vertieften sich die beiden Männer in ihr Spiel, die ganze Welt darüber vergessend, als Minouche, zweifellos auf die Dauer durch die vor ihr liegengebliebene Papierkugel gereizt, plötzlich aufsprang und sie mit einem Pfotenhieb in die Luft schleuderte, dann mit tollen Purzelbäumen durch das ganze Zimmer hinter ihr herjagte.
    »Launisches Biest!« rief Chanteau, der dadurch gestört wurde. »Vorhin wollte sie nicht mit mir spielen, und jetzt vergnügt sie sich ganz allein und hindert uns am Nachdenken!«
    »Lassen Sie nur«, sagte der Pfarrer voller Milde. »Katzen wollen auch ihren Spaß haben.«
    Als Doktor Cazenove wieder durch die Küche ging, wurde er beim Anblick Lazares, der noch immer niedergeschmettert auf demselben Stuhl saß, von einer plötzlichen Rührung ergriffen, er nahm ihn in seine starken Arme und küßte ihn väterlich, ohne ein Wort zu sprechen. Gerade kam Véronique wieder herunter und scheuchte Mathieu vor sich her. Er trieb sich mit seinem leisen Miefen, das der Klage eines Vogels glich, unentwegt im Treppenhaus herum; und sowie er die Tür des Krankenzimmers offen fand, ging er hinein und jaulte hier in jenem durchdringenden Ton eines Flageoletts, dessen anhaltender Klang auf die Nerven ging.
    »Nun geh schon, geh schon!« rief das Hausmädchen. »Deine Musik wird sie nicht wieder auf die Beine bringen.« Dann, als sie Lazare erblickte: »Nehmen Sie ihn irgendwohin mit, dann sind wir ihn los, und Ihnen wird es guttun.«
    Das war ein Befehl von Pauline. Sie hatte Véronique beauftragt, Lazare aus dem Hause zu schicken, ihn zu langen Spaziergängen zu zwingen. Aber er weigerte sich, es kostete ihn schon große Mühe, sich zu erheben. Indessen hatte sich der Hund vor ihn hingesetzt und begann wieder zu jaulen.
    »Der arme Mathieu ist nicht mehr jung«, sagte der Doktor, der ihn betrachtete.
    »Weiß Gott! Er ist vierzehn Jahre alt«, erwiderte Véronique. »Das hindert ihn nicht, immer noch wie ein Verrückter hinter den Mäusen her zu sein ... Sie sehen, er hat eine zerschundene Nase und rote Augen. Er hat nämlich in der letzten Nacht eine unter dem Herd gerochen; und er bat kein Auge zugetan, er hat meine Küche mit seiner Nase um und um gestoßen, er hat noch immer das Fieber in den Pfoten. Ein so großer Hund wegen eines so kleinen Tieres, ist das albern! Übrigens sind es nicht nur die Mäuse; alles, was klein ist, und alles, was herumwimmelt, die einen Tag alten Küken, die Kinder von Minouche, das erregt ihn so sehr, daß ihm die Lust auf Essen und Trinken darüber vergeht. Manchmal bringt er Stunden damit zu, unter einem Möbelstück zu schnüffeln, wo eine Schabe entlanggelaufen

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