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Die Freundin meines Sohnes

Die Freundin meines Sohnes

Titel: Die Freundin meines Sohnes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Grodstein
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Art waren sie für sich, ich hörte sie aber trotzdem noch. Iris und Elaine standen auf, um sich bei Joe einen Neujahrs-Martini zu holen.
    »Weißt du«, sagte Laura, »was mir am Heimkommen mit am besten gefällt? Dass ich Neuigkeiten über Leute erfahre, mit denen ich gar nicht gerechnet hätte. Ich hab inden letzten drei Tagen so viele Leute getroffen. Aus meiner Schulklasse welche, meine Lehrerin aus der Sechsten, Mrs. Hammel …»
    »Die hattest du?«, sagte Alec. »Mrs. Camel?«
    »Mrs. Camel, oh, genau.« Moira Hammel hatte leider einen Rundrücken, ich hatte sie über die Jahre ein Dutzendmal wegen ihrer Osteoporose behandelt, aber der Zustand ihrer Wirbelsäule verschlechterte sich stetig, und sie hatte Dutzende kleiner Kompressionsfrakturen.
    »Sie war unterirdisch, oder?«
    »Einmal ist es mir aus Versehen im Unterricht passiert, ich: Mrs. Camel, ich habe eine Frage …«
    »Nein …«
    »Die ganze Klasse wird mucksmäuschenstill, und sie sieht mich mit ihren komischen Augen an – sie hatte ja Augen wie eine Echse, weißt du noch? – und sagt: Was hast du gerade gesagt, Kleine?«
    Ich bezweifelte ehrlich, dass Moira Hammel sich in eine böse Hexe verwandeln konnte und dass irgendjemand bei ihren sanften Augen an eine Echse denken konnte.
    »Die ganze Klasse ist leise und ich: nichts, Mrs. Hammel, und sie sieht mich nur an, fünf Minuten, so kam es mir vor, mir wär fast das Herz stehengeblieben vor Angst.«
    »O Gott.« Alec lachte ausgiebiger über die Geschichte, als die wirklich hergab.
    »Ich war so fix und fertig vor schlechtem Gewissen, dass ich nach der Stunde zu ihr gegangen bin und mich entschuldigt habe. Sie hat meine Entschuldigung allerdings nicht angenommen.«
    »Was?«
    »Sie hat bloß den Kopf geschüttelt und gesagt: Eines Tages wirst du das verstehen, Laura. Eines Tages. Und dann hat sie mir ihren krummen Rücken zugekehrt, und ich hab den ganzenWeg bis nach Hause geheult. Als hätte ich es gleich verstanden. Was immer ich überhaupt verstehen sollte.«
    »Was für eine Geschichte«, sagte Alec. »Und jetzt hast du sie zufällig getroffen?«
    »Vor zwei Tagen am Grand Union. Ich hab mich vorgestellt, und wir haben uns sehr nett unterhalten, aber ich hab gemerkt, sie hatte keine Ahnung, wer ich bin.« Moira Hammel ist ein bisschen dement, stimmt schon – aber in Round Hill wusste wirklich jeder , wer Laura Stern ist.
    »Und diesmal hätte ich auf dem Heimweg auch fast wieder geheult. Sie sah so schrecklich aus. Und sie war ganz allein.«
    »Was für eine Geschichte«, sagte Alec noch einmal äußerst redegewandt.
    »Ja, wirklich.« Lauras Hand berührte erneut den Arm meines Sohnes. »Sie war mutterseelenallein.« Laura sprach jetzt mit dünner und schwacher Stimme, und ich konnte sehen, wie sich Alecs Körperhaltung veränderte. Sie brachte ihn dazu, dass er sie beschützen, sie trösten wollte. »Sie hatte von allem nur Single-Packungen in ihrem Einkaufswagen. Eine Hühnerbrust. Einen kleinen Becher Eiscreme.«
    Was für ein Unsinn. Moira Hammel war die Beste ihres Bridgeklubs, machte immer noch alle Tage Wassergymnastik und hatte drei Enkeltöchter, die sie liebten.
    »Wirklich sensibel von dir«, sagte Alec. »Dass du überhaupt auf so was achtest.«
    »Na ja«, sagte Laura. Ihre Hand lag immer noch auf seinem Arm, streichelte ihn kaum merklich, und die in meinem Bauch wachsende Panikblase, noch so klein, dass ich sie hätte ignorieren können, wohl hätte ignorieren sollen, platzte beißend. Laura schob sich eine Locke hinters Ohr und seufzte. Alec trat ungeschickt von einem Bein aufs andere. Er sah sie an, wurde rot, sah wieder weg. Ihre Mütter wankten herein, die Gläser mit Pfefferminzlikör gefüllt.
    »Elaine«, rief Laura, »warum hast du mir nicht gesagt, dass Alec ein so gutaussehender Mann geworden ist?«
    »Ich weiß«, sagte sie kichernd und ließ sich auf den Stuhl neben mich plumpsen. »Ist er nicht großartig?«
    »Wirklich großartig«, sagte Laura, und Alec schüttelte abwehrend den Kopf und griente wieder unbeholfen, und die ganze Zeit lag ihre Hand auf seinem Arm. Ich wäre am liebsten aufgesprungen und hätte etwas gesagt. Hätte ihn am liebsten weggezerrt. Sie war dreißig Jahre alt, zu alt, viel zu alt. Jawohl. Der Staat New Jersey hatte sie wegen Mordes angeklagt, daran wollte ich alle erinnern. Wegen Mordes! Alec errötete wie ein Blödmann. Seine Mutter war betrunken.
    »Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder?«, flüsterte Laura.
    »Vielleicht, ja«,

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