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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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anzukämpfen. Ich wollte nicht lieben.“
    „Was ist dir passiert?“, fragte sie weich. „Hat eine Frau dich so sehr verletzt?“
    „Nein, keine Frau.“ Sein Hals schnürte sich zusammen, und er machte eine abwehrende Handbewegung. „Ach, es ist so lange her. Sehr lange! Und ich weiß nicht, ob es gut ist, ausgerechnet hier und heute davon zu sprechen!“
    Inken sah die Qual in seinen Augen und wünschte sich, ihn nicht danach gefragt zu haben, aber da fuhr er auch schon fort. „Ich war ein Kind damals, zehn Jahre alt. Ein kleiner Junge, der seinen Vater nie kennen gelernt hatte. Der einen ihm unbekannten Mann auf einen Thron stellte und der Mutter die Schuld daran gab, dass ihre Beziehung zu ihm zerbrochen war.“ Er lachte bitter. „Da war mir noch nicht klar, dass es niemals eine Beziehung gegeben hatte. Dass es nur die Liebe meiner Mutter und das Ausnutzen dieser Liebe durch einen Schuft gegeben hat, deren Resultat ich war. Aber davon, dass mein Vater ein Schuft war, hat Mutter nie gesprochen. Im Gegenteil. Ich wuchs in dem Glauben auf, dass mein Vater ein durch und durch guter Mensch sei, der sie nur deshalb nicht heiraten konnte, weil er zu einer Heirat mit einer anderen Frau gezwungen worden war.“
    Wieder wandte Cirk sich von ihr ab und blickte zum Kerzenlicht, das die Farben, die er vor seinem geistigen Auge sah, jedoch nicht aufzuhellen vermochte.
    „Wie sehr habe ich mich nach einem Zusammentreffen mit meinem Vater gesehnt. Wie sehr! Ich glaubte, er bräuchte mich nur zu sehen und würde seine Liebe zu mir entdecken. Mich wie einen verlorenen Sohn in die Arme schließen. Jede Nacht betete ich darum. Für mich war er das große Vorbild, denn meine Mutter erzählte Geschichten von ihm, in denen er ein tollkühner Held war. Immer auf See und daher auch ohne Zeit für mich, seinen Sohn. Ich dagegen wünschte mir nichts sehnlicher als nur eine Stunde mit diesem Mann. Und dann, eines Tages, erfüllten sich meine Gebete.“ Er senkte den Kopf. „Noch heute erwache ich manchmal aus einem Albtraum, der diese Begegnung zum Inhalt hat. Dann wappne ich mich und versuche verzweifelt, die Ablehnung meines Vaters auszuhalten.“ Leise, fast flüsternd, waren seine letzten Worte gekommen.
    „Es war im Hochsommer eines trockenen Jahres. Ich schlenderte mit meiner Mutter an einem Samstag über den Markt, der voller Menschen war. Wie immer ließ ich mich am Hafen von den Schiffen ablenken, und so bin ich für kurze Zeit von ihr getrennt worden. Und da begegnete ich dem Mann, dem meine Träume galten. Er stand plötzlich vor mir, erstarrt wie ich selbst. Die äußerliche Ähnlichkeit war so groß, dass es keinen Zweifel für mich gab. Für einen kurzen Moment schienen wir aus der Menge herausgehoben zu sein. Es gab nur noch meinen Vater und mich. Ich wollte mich in seinem Arme werfen, doch dann sah ich in seine Augen. Niemals werde ich vergessen, wie der Ausdruck des Erschreckens langsam einer abgrundtiefen Abscheu wich. Wenn Blicke töten könnten, wäre ich heute nicht mehr am Leben. Vielleichtlag es daran, dass meine Mutter ihm allein durch ihre Anwesenheit so viel Ärger bereitete. Später erfuhr ich, dass seine Frau ihn zeitlebens verachtet und ihm den unehelichen Sohn vorgeworfen hat. Ihr waren nur Töchter vergönnt gewesen. Doch damals sah ich diese Abscheu alleine in meiner Person begründet. Und sie vernichtete alle Gefühle für diesen Mann. Sie vernichtete sogar fast mich selbst. Mit niemandem habe ich jemals über diese Begegnung gesprochen, und danach war ich nur noch einsam. Die Geschichten meiner Mutter verstärkten meine inneren Qualen. Sie waren nichts als Lügen, und ihre Liebe zu mir, so dachte ich damals, wäre es auch.“ Er schwieg.
    Inken sagte zunächst kein Wort, sondern legte ihm nur die Hand auf den Arm. Aber er konnte die Betroffenheit in ihren Augen wahrnehmen. „Vielleicht musstest du als Kind diese traurige Erfahrung machen, um zu dem zu werden, der du heute bist“, meinte sie schließlich. „Ein Mann, der unbeirrt seinen Weg geht, der sich weder von Gefahren noch von Franzosen schrecken lässt und der voller Mut sein Leben für andere lässt. Gott hat dich so geformt, denn sonst wäre deine Trauer sinnlos gewesen. Dann hätte die erfahrene Ablehnung dich auch töten können.“
    „Wie oft habe ich mir als Kind gerade dies gewünscht.“ Bitterkeit klang in seinen Worten.
    „Ja“, dachte Inken und Mitleid überflutete sie. Zu gerne hätte sie mehr über Cirks Vergangenheit

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