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Die Frühreifen (German Edition)

Die Frühreifen (German Edition)

Titel: Die Frühreifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Frau, die solche Probleme mit ihrem Scheckheft regelte und nicht mit etwas anderem.
    Seine Intuition bestätigte sich, als er sich vor ihr mit einer Arschbacke auf den Schreibtisch setzte und die Daumen hinter das Revers seiner Weste schob: Alexandra Storer bekam ganz offensichtlich keine feuchten Schenkel.
    »Man sollte auch nicht übertreiben«, sagte sie ihm. »Patrick hat selbstverständlich nicht den Schlafsaal in Brand gesteckt. Er wollte lediglich seine Matratze verbrennen.«
    Er bedachte sie mit einem ungemein freundlichen, zärtlichen Lächeln. »Ich fürchte, Sie täuschen sich, Alexandra. Ich fürchte, Patrick hat versucht, das ganze Internat in Brand zu stecken, wie er selbst zugegeben hat. Machen wir uns doch nichts vor.«
    Er spürte jedoch nur zu gut, daß diese Frau ihm arg zu schaffen machen konnte, falls er gewisse Grenzen überschritt. Sie würde, seiner Einschätzung nach, nicht einmal dazu zu bringen sein, ihm ihre Brüste zu zeigen – wozu viele Frauen bereit waren, hocherfreut darüber, daß sie so billig davonkamen. Wenn sie dadurch den Kopf ihres Kindes retten konnten, ließen sie sich gern auf solche Scherze ein, überließen ihm notfalls auch einen Slip, um sicher zu sein, daß sie fortan ihre Ruhe hatten.
    Vincent zu erlauben, ihr unter den Rock zu schielen, schien alles zu sein, was sie ihm anbot, denn sie machte keine Anstalten, diesen glattzuziehen – und dazu noch eine Spende für die vollständige Erneuerung der Turnhalle oder wofür auch immer. Das war zwar kein großartiges Angebot, aber er beschloß, sich damit zu begnügen, denn er wollte keinen Ärger mit Anaïs haben.
    Schließlich verbrachte seine Tochter einen Großteil ihrer Zeit bei den Leuten auf dem Hügel. Seltsamerweise war sie dort eher gern gesehen. Und wenn sie dieses Vorrecht wegen der Taktlosigkeit, der Rüpelhaftigkeit, der Lüsternheit ihres Vaters verlieren und bei diesen Leuten unerwünscht werden sollte, wäre das äußerst bedauerlich, das war ihm völlig klar. Seine Tochter war ein Trampeltier.
    Lisa Trendels Tod war allen noch gegenwärtig.
    Patrick Storer kehrte ein paar Tage später nach Hause zurück. In einem Sarg.
    Er wurde in einem langen, sorgfältig polierten Leichenwagen durch die Stadt gefahren, der mit einem letzten Aufblitzen auf der Anhöhe verschwand.
    Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Einer von der französischen Telecom übermittelten Schockwelle folgend, die den Hügel von oben nach unten durchlief, erstarrten die Bewohner jedes Hauses ein paar Sekunden oder mehr, waren wie versteinert, und in den Wäldern breitete sich eine furchtbare Stille aus.
    Patrick Storer war von einer Brücke gesprungen. Er war nicht der erste, diese Brücke war bekannt dafür. Die Totengräber liebten diese Brücke, auch wenn sie es nicht zugeben wollten.
    Richard und Laure brachten mehrere Stunden kein Wort heraus. Judith Beverini massierte Laure lange die Schultern, während Richard auf und ab ging und dabei wie schrecklich, o wie schrecklich, o wie schrecklich! stöhnte. Ab und zu warf er Evy einen ungläubigen Blick zu.
    Sie fuhren zu Alexandra. Zahlreiche Autos parkten schon vor ihrem Haus. Die Luft an diesem Spätnachmittag war entsetzlich heiß und Alexandra Storer völlig am Boden zerstört.
    Evy traf Andreas und Michèle wieder. Warum hat dieser Idiot das nur getan? Andreas’ Frage lag auf allen Lippen, ging allen durch den Kopf: Warum hatte Patrick Storer bloß Selbstmord verübt?
    Dieses einfache Wort ließ mehrere der Frauen, die sich dort eingefunden hatten, hysterisch werden, denn was ihre Kinder anging, nahm Selbstmord auf der Liste ihrer Albträume den gleichen Platz ein wie Drogen.
    Bis zum Einbruch der Nacht bemühten sich alle, Alexandras Tränen zu trocknen. Als das Tageslicht schwächer wurde, sah man immer mehr verzerrte Gesichter mit geschwärzten Wangen. All das wurde durch den geheimnisvollen Schrei der Eulen, der durch die Dunkelheit drang, noch unheimlicher.
    Evy und die beiden anderen schliefen fast darüber ein. Schließlich schlug Andreas vor, dieser Benommenheit, diesem Taschentuchgewedel, diesem trübseligen Gemurmel zu entrinnen, das die sechshundert Kubikmeter Wohnzimmer, die nach Tarry-Souchong duftete, durchwaberte.
    Von morgens bis abends hatte Andreas nichts anderes im Sinn als Sex. Das war bei ihm zu einer regelrechten Zwangsvorstellung geworden. Manchmal beklagte sich Michèle bei Evy darüber – hinzu kam noch, daß er für ihren Geschmack viel zu viel Sperma

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