Die Frühstücksfreundin
Robert den Arm um Franziska:
»Die wenigsten Menschen finden alles, was sie zu ihrer Selbstverwirklichung brauchen, bei ein und demselben Partner.«
»Das klingt ja druckreif.« Franziska lehnte sich von ihm weg. »Hat deine Frühstücksfreundin wieder aus ihrem reichen Leben erzählt?«
Endlich konnte Karin lachen. Robert drückte ihre Hand:
»Geh ihm einen Schritt entgegen. Er leidet selbst unter dem Zustand.«
»Hoffentlich«, sagte sie, und der Freund legte sich ins Zeug:
»Vielleicht war die Idee nicht von ihm. Es gibt Frauen, gegen die sind wir Männer harmlose Knaben.« Unter Franziskas argwöhnischem Blick hängte er noch einen Rat dran. »Redetmiteinander, sprecht euchaus. Schnellstens.«
Als Karin ging, war der wohlmeinende Freund und treue Gatte seinen Kindern ein rührender Vater. Sie durften länger fernsehen als sonst, und Franziska durfte seinen Monolog beim Chef noch einmal ungekürzt anhören. I mm erhin zu einem sehr süffigen Wein aus dem Elsaß.
Dann war es soweit.
K&K’s Ehetief löste bei R&F ein Ehehoch aus. Gedanken um Sidonie leisteten zusätzliche Befeuerung. An sich wollte Robert sie vergessen, aber seine Seele ignorierte seinen Wunsch. Sidonie blieb selbstverständlich, als wäre sie seit Jahren erprobtes Beiboot seiner Komplettierung. Vielleicht hatte man tatsächlich eine Liaison miteinander gehabt, während der letzten Inkarnation, eine undichte, die durchfärbt.
Franziska lag an seiner Schulter und fragte:
»Glaubst du, daß Karl ein guter Liebhaber ist?«
»Wie kannst du jetzt an Karl denken?« Robert drehte sich auf die Seite. »Schäm dich!«
Der innere Wecker richtet sich nach der Bereitschaft. Robert ist eine halbe Stunde später aufgestanden, gerade zeitig genug, um vor den Kindern ins Bad zu kommen und noch im Café frühstücken zu können. Er wird Sidonie höflich grüßen, Unverbindlichkeiten mit ihr wechseln und am Tisch sitzen bleiben. Das Frühparken wird er auf jeden Fall beibehalten.
Da kommt sie aus dem Café. Geht zum Hotel. Aha. Nichts anmerken lassen. Sie weiß ja nicht, daß er weiß.
Vor dem Eingang bleibt sie stehen, sieht ihm entgegen. »Das nenne ich Telepathie.«
»Guten Morgen«, sagt Robert, »bitte, was nennen Sie Telepathie?«
»Daß Sie heute später gekommen sind.«
Geschickt macht sie das. Aber er wird jetzt mit ihr spazierengehen, ungefrühstückt, weg vom Hotel, ganz selbstverständlich, hat schon kehrtgemacht, geht mit ihr die Straße hinunter, ohne Berührung, ohne Beitrag zur Konversation. Sie soll reden.
Und sie redet.
»Unsere Tischrunde fängt an, mir auf die Nerven zu gehen. Jetzt fragen sie mich schon nach Ihnen. Ob ich nicht weiß, wo Sie bleiben. Und das mit süffisantem Lächeln.«
»Mir gehen sie auch auf die Nerven«, sagt er. »Aber das läßt sich ändern.«
Wo strebt sie denn hin? Merkt sie nicht, wie zurückhaltend er ist? Sie lächelt ihn an.
»Stellen Sie sich vor, gestern kam überraschend mein Mann. Einen Tag früher und holt mich am Büro ab, was er eigentlich nie tut.«
Sie hat ihn also gesehen. Und der ältere Herr ist doch ihr Mann? Da Robert nichts sagt, redet sie weiter.
»Ich finde, es ist besser, wir setzen uns nicht mehr ins Auto.«
»Ich bin völlig Ihrer Meinung«, sagt er. »Wir sind nicht mehr zwanzig.«
Sie ist stehengeblieben.
»Es ist gut, daß Sie auch beim Sie bleiben.«
Und warum das gut sein soll, fragt er mit ironischem Unterton, auf den sie sofort eingeht:
»Es gehört zu den Spielregeln. Sie oder Du — was sind das? Worte. An die man sich gewöhnen kann. An das eine wie an das andere. Ein Versprecher kann schlimme Folgen haben.«
Er nickt nur, und sie sieht ihn an, als wolle sie sich vergewissern, ob sie auch richtig verstanden werden wird, mit dem, was sie ihm jetzt sagen will.
»Ach Robert. Ich bin sehr deprimiert. Ich möchte mit Ihnen reden, aber in Ruhe. Nicht immer zwischen Tür und Angel.«
»Ich auch«, sagt seine Stimme, und er wundert sich. Zum ersten Male hat sein Gefühl den Verstand überholt. Es durchrieselt ihn warm, aber auch noch kalt. »Ein Dach überm Kopf«, wünscht sie sich. »Wir brauchen einen Ruhepunkt, Robert, wo wir für uns sind. Ohne daß sich andere den Mund zerreißen. Ich ertrage das nicht mehr.«
Der geschilderte Zustand macht ihn groß und stark. Es wird doch noch eine Möglichkeit geben, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Das muß er schaffen. Und das wird er schaffen. Das muß organisiert werden; er wird das in die Hand nehmen. Jetzt
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