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Die Frühstücksfreundin

Die Frühstücksfreundin

Titel: Die Frühstücksfreundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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aufgestanden. Sie hatten es mir ausdrücklich gesagt, letzte Woche. Bis neun Uhr braucht die Konferenz unseren Bericht, in drei Sprachen. Dann ist das Zimmer frei. Ein Morgenzimmer also, bestenfalls.«
    Der Portier schaut in sein Buch. »Einzel oder Doppel?«
    »Das ist völlig egal.«
    Bis Robert die Schreibmaschine abgestellt hat, um nach seinem Geld zu tasten, hat Sidonie wortlos einen Schein auf die Barriere gelegt. Die Geste stört ihn, doch er verdrängt jetzt alles, was ihn stört. Sie hat die Erfahrung; die Jahre mit dem Chefarzt in der internationalen Welt haben sie geschult. Und es klappt auch, ohne Eintragung. Robert bekommt den Schlüssel, der Portier öffnet die Lifttür und nennt die Etage. Robert darf den Knopf drücken.
    Das nächste Mal übernehme ich die Kosten — hätte er beinahe gesagt und erschrickt über die vorausgreifende Phantasie, aber auch über die Ausgaben, die da auf ihn zukommen könnten.
    Sie sehen einander an. Nur die zierliche Reiseschreibmaschine ist zwischen ihnen in dem engen Kasten, der endlich hält. Stumm gehen sie über den schmalen, düsteren Korridor voll alter Luft, bis Sidonie vor einer Tür stehenbleibt.
    »Siebenunddreißig, eine gute Zahl.«
    Robert darf aufschließen. Hat er das gewollt? Sie geht hinein und öffnet sofort das Fenster.
    In diesem Zimmer verläßt einen jeder Wunsch, bis auf den einen, es möglichst schnell wieder zu verlassen. Hier muß es Nacht sein und der Promillepegel stattlich, nicht sonnendurchfluteter Maimorgen.
    Noch hält sich Robert an der Schreibmaschine fest, die er erst absetzt, als Sidonie sich ihm entgegendreht. Was wird sie tun? Wie verhält man sich als zuverlässiger, anständiger Ehemann in solcher Situation? Was erwartet sie sich in diesem lähmenden Raum morgens um sieben?
    Er stellt ein Lächeln zwischen sie und sich, möchte etwas sagen: Daß er nicht weiß, ob das richtig ist; daß er Franziska noch nie betrogen hat. Aber sein Mund ist ausgetrocknet. Jetzt ist nicht der Augenblick, um zu reden. Noch immer steht sie vor ihm, umarmungsbereit, läßt ihm das Handeln, ihr Blick ein Sog. Ruhig, aber unwiderruflich treibt er ihr entgegen, wie das Floß auf dem Fluß dem Wasserfall. Und er stürzt. In ihre Arme, die sich sofort schließen um seinen Hab. »Halten Sie mich fest, Robert. Nur festhalten.« Immerhin weiß er jetzt, was er tun muß, weiß er doch noch nicht, ob er sich traut, was er möchte. Ruhig hält er sie fest, ganz ruhig und zuverlässig. Auch ihm tut das gut.
    »Ich bin froh, daß es Sie gibt«, hört er sie sagen an seinem Hals. Schön, das zu hören, von einer Frau, die man bewundert. Und da ist schon der Komplex: Wieso ist er es, ausgerechnet er, für den sie diese trostlose Umgebung hinnimmt, um mit ihm allein zu sein? Aber es ist so, unzweifelhaft. Köstlich greifbare Wirklichkeit. Sein Druck wird fester, die Hände wandern. Da spürt er etwas an seinem Hals, das ihn innehalten läßt. Seine Stimme klingt zuverlässig:
    »Nicht weinen. Ich bin doch da.«
    Was hat sie nur? Jetzt fühlt er sich väterlich, empfindet Zärtlichkeit, wo er Begierde befürchtete, und verdrängt alles, was ihn verpflichten könnte. Der Kragen wird feucht; behutsam zieht er den linken Arm, der sie umfaßt, nach oben und schaut auf die Uhr.
    In einer halben Stunde müssen sie gehen.
    »Das hab ich mir gewünscht«, sagt sie an seinem Hals. Er schämt sich seiner Gedanken und hofft, daß kein Lippenstift an seinen Kragen kommt.
    »Sie strömen Ruhe aus und Anständigkeit«, sagt sie. Im Augenblick fühle ich mich nicht sehr anständig — möchte er sagen, falls er überhaupt noch etwas sagen möchte, jetzt. Stehend ist dieses Zusammensinken ungleich schöner als in unwürdiger Verwindung im Auto. Unvermittelt setzt sie sich auf das Bett, zieht ihn mit an ihre Seite, und er hält sie fest, verwunden, wie im Auto, während sie sich die Nase putzt.
    »Entschuldigen Sie meine Sentimentalität, Robert. Erzählen Sie mir etwas.«
    Was soll er ihr erzählen mit seinem kurzen Atem? Ihm fällt nichts ein. Trotzdem entspricht er ihrem Wunsch. Teilweise: Er teilt sich ihr mündlich mit. Da sinkt sie zurück, Robert sinkt mit in neue Verwindung. Hoffentlich knittert seine Jacke nicht zu sehr. Er spürt die Autoschlüssel in der rechten Außentasche am linken Schulterblatt, hebt sich, nimmt eine Hand von ihr, um zu glätten, ohne sich zu lösen, hört ihre Schuhe fallen und zärtlich seinen Namen. Sidonie verwindet ihn weiter, legt die Beine aufs

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