Die Frühstücksfreundin
schwenken in den Strom ein. Viele streben in den Theatergarten; es regnet offenbar nicht mehr.
Wo ist Sidonie?
»Gefällt dir die junge Schauspielerin?«
»Welche?«
»Es war doch nur eine. Wo bist du mit deinen Augen? Ich merke es schon die ganze Zeit. Hast du Sorgen?«
»Sorgen? Wie kommst du darauf?«
Da vorn geht Sidonie. Sie hat ihren Mantel an, ihr Robert setzt seinen Hut auf, sie gehen zum Ausgang. »Wenn du mich fragst, ich würde am liebsten gehen. Ich bin etwas müde.«
»Eine gute Idee. Zu Hause haben wir’s so schön.«
Obwohl nur zur Hälfte gesehen, blieb das sommerliche Bühnenstück Gesprächsstoff. Das moralische Strickmuster paßte Franziska nicht, dieses Spießbürgerklischee vom Mann, der’s nun mal nicht lassen kann, dem man deswegen aber nicht gram ist. Hat er sich schlecht benommen, verzeiht man ihm dennoch, wie einem großen, dummen Jungen.
Ähnlich äußerte sich Sidonie am Montagmorgen beim Frühstück. Von Tiedemann gefragt, ob sie ein angenehmes Wochenende verbracht habe, kam sie auf das Stück zu sprechen. Robert tat überrascht: Auch er sei im Theater gewesen.
»Wir sind in der Pause gegangen. Es war zu banal«, spielte Sidonie mit. »Mein Mann war von vornherein skeptisch: Gastspiele bieten meist allzu Gängiges.« Hat er’s wieder mal gewußt, der Zitaten-Robert, ärgerte sich Robert und sagte:
»Wir sind auch gegangen. Wir haben nichts gesehen, wofür wir hätten bleiben mögen.«
»Ihrer Frau gefiel es auch nicht?« fragte Sidonie.
»Die Nichtsahnende als komische Figur — das fand sie nicht komisch. Ich übrigens auch nicht.«
Leer sah sie ihn an, und es war etwas in ihrem Blick, das er nicht verstand.
»Ist auch keine hübsche Rolle«, sagte sie, erhob sich und ging. Ein Herr von der Bank begleitete sie zur Bank.
Was war los mit ihr?
In einer Rauchschwade vom Tisch der Skatspieler saß Robert feuchtwarm auf dem Plastiksitz und kaute an einem Brötchen. Neutrales Verhalten vor den Frühparkern mußte sein. Aber nicht so vollkommen unpersönlich, ohne jedes Zeichen. Robert ging ins Appartement. Montags trafen sie sich zwar nicht, aber vielleicht würde sie kommen? Sie kam nicht.
Im Büro fand er Ablenkung. Petra hatte sich krank gemeldet, und er mußte alles selber machen. Doch Sidonie ließ ihn nicht los. Seine Gedanken umkreisten sie, versuchten ihr Verhalten zu ergründen, das ihn ärgerte, je deutlicher er es sich machte. Wie liebevoll war da Franziska.
Als sie, wie immer, gegen Mittag anrief, war Robert drauf und dran, ihr alles zu sagen. Doch Franziska hatte das Essen auf dem Herd und keine Zeit für ein längeres Gespräch. Sie wollte ihm nur sagen, daß sie am Abend wieder ehefrei nehmen werde, es habe sich so ergeben. Heiter klang sie und liebevoll. Kein Anlaß zur Sorge, auch wenn sie ihm nicht sagte, was sie vorhatte.
In der Kantine überlegte Robert, ob er nicht ins Appartement gehen sollte und Sidonie fragen, was denn los sei. Doch er mied die Schleiflackpracht und aß ein Gulasch, das ihm nicht schmeckte. Sich womöglich weitere Robert-Zitate anzuhören, daran hatte er kein Interesse. Andererseits konnte jede Stunde die letzte sein, ohne Verständigung, ohne Abschied. So war es abgemacht.
Nachher saß er dann doch im Schleiflacksessel. Aber Sidonie kam nicht.
Was würde Franziska sagen? Diese Frage füllte die Arbeitsstunden des Nachmittags und ließ ihm die Ehe als neues Abenteuer erscheinen. Franziska besaß womöglich die Toleranz, ihn die Liaison ausleben zu lassen, bis er sie von sich aus beenden würde. Oder sie würde Sidonie kennenlernen wollen? Sich mit ihr anfreunden? Oder sie verlor kein Wort darüber und nahm sich immer mehr ehefreie Abende. Ihren Charakter kannte er, ihre Fürsorge, ihre Zärtlichkeit. Nur, wie Franziska ihn sah, ihre Einstellung zu ihm — darüber hatte er sich nie Gedanken gemacht, und die Stunden bis Feierabend reichten nicht aus. Unfair war er ihr gegenüber. Das stand fest.
Er mußte ihr alles sagen.
Im Stau auf dem Altstadtring übte er Anfänge.
Liebe Franziska, ich muß dir etwas sagen, was ich dir schon längst hätte sagen sollen... Zu langer Anlauf. Direkter, damit es heraus ist: Franziska, ich habe ein Verhältnis mit meiner Frühstücksfreundin. — Zu direkt: Franziska, was würdest du sagen, wenn ich ein Verhältnis mit meiner Frühstücksfreundin hätte? Konjunktiv zur geschmeidigen Einführung in das heikle Thema. Robert verließ den Altstadtring und kaufte erst einmal ein Schwäbisches
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