Die Frühstücksfreundin
eine weitere Überraschung mit sich: Fällt erst die Versuchung weg, steht der Wohlanständigkeit nichts mehr im Weg. Wollte man nicht längst Ordnung schaffen? Jetzt ist die Gelegenheit da. Der Schmerz, den er nicht empfindet, sucht sich ein Ventil. Zu Hause, wo das perfide Schicksal Franziska im Kühlfach der Ehe bereithält und Jennifer und Martin eigens zu dem Zweck ungezogen waren, damit sie früher auf ihre Zimmer geschickt werden können, die Scheißkinder, und die Eltern sich schon am frühen Abend ungefiltert gegenübersitzen.
Da ist es gut, ein Thema zu haben, und sei es nur ein wiederaufgewärmtes. Franziska strickt. Tätig sind ihre Hände am ruhigsten, das Auge hat einen Festpunkt. Noch einen Obstler, Robert muß aufstoßen, dann gibt der Magen den Weg für die Wahrheit frei. »Merkwürdig. Gestern hab ich noch überlegt, ob ich auch mal einen Abend ehefrei nehme, und heute brauch ich ihn nicht mehr.«
Leicht kam das über seine Lippen; Franziska strickt weiter, verbaut ihm mit keiner Frage sein Mitteilungsbedürfnis.
»Es ist nämlich aus.«
Er wartet, Franziska strickt stumm.
»Mit meiner Frühstücksfreundin.«
»Das hast du mir schon erzählt.«
Mehr sagt sie nicht, läßt auch ihn weiterstricken, an seiner Wahrheit.
»Ich bereue es nicht.«
»Wenn’s schön war...«
»Das war’s.«
Er schaut nach, ob das nicht zuviel war für sie. Aber Franziska strickt gelassen, und so erzählt er ihr die ganze Geschichte, wie’s angefangen hat mit Spaziergängen, bis sie sich einen Platz gesucht haben, um ungestört zu sein.
»Deshalb bist du aus dem Hotel gekommen, als ich dir die Medizin gebracht habe«, sagt sie freundlichbegreifend.
»Genau. Ich hatte dich gesehen.«
Jetzt lacht sie sogar.
»Das muß ein schöner Schreck gewesen sein.«
»Kannst du dir denken.«
»Hast ihn aber gut überspielt.«
Verwundert über die merkwürdige Kameraderie, die sie plötzlich verbindet, spitzt er das Thema weiter zu. »Daraufhin haben wir uns ein Appartement genommen. Mit Bad. Sehr gemütlich.«
»Die Schlüssel an deinem Bund!« Sie lacht. »Kam mir doch gleich komisch vor, daß die vom Büro sein sollen.«
Es ist wie bei großer Versöhnung, wenn sich alle Verdachte als gegenstandslos herausstellen, was hier ja nicht der Fall ist. Woher diese Stimmung, dieser Spaß an der Sache ohne jedes Gefühl?
»Wer bezahlt eigentlich das Liebesnest?«
»Beide.«
»Hab ich nicht immer gesagt, dein Frühparken kommt uns teuer?«
»Jetzt ist es ja vorbei.«
»Und was hat sie, was ich nicht habe?«
Mit solchen Fragen vergällt sie ihm sein Geständnis endgültig. Ausgerechnet sie verlangt Vergleiche, die zu ziehen er vor sich selbst immer vermieden hat. Aber gut, wie sie will.
»Sie ist sehr kompliziert, sehr selbständig, souverän.«
»Und im Bett?«
»Muß die Frage sein?«
»Ich möchte nur wissen, woran ich bin.« Sie lacht wieder.
»Findest du das sehr komisch?«
»Ich überlege gerade: morgens, vor der Arbeit — ein genialer Einfall. Da kommt doch kein Mensch dahinter. Das gäbe eine schöne Geschichte. Ich bin überhaupt für morgens.«
Robert sagt nichts mehr, zieht sich beleidigt zu seinen spärlichen Gefühlen zurück, und sie strickt doppelt so schnell weiter.
»Ich finde, das tut einer Ehe sehr gut. Natürlich nur, wenn beide Teile ihren Spaß haben. Sonst ist es ja wie bei K&K.«
»Würdest du dich bitte genauer ausdrücken?«
»Du hast ein Verhältnis, und ich hab auch eins.«
»Du hast ein Verhältnis?«
Sie nickt.
»Seit wann?«
Lieb lächelt sie:
»Wofür, denkst du, nehme ich mir ehefrei?«
Keinen Augenblick schwankt er. Es rührt ihn, wie sie schwindelt. Doch er tut, als glaube er jedes Wort, und schaut betroffen.
»Franziska!«
»Wo denkst du denn, daß ich hingehe?«
»Vielleicht... vielleicht ins Kino, zu einem Abendkurs, eine Fremdsprache lernen. Das wolltest du doch immer.«
»Abendkurs ist gut«, sagt sie. »Ich habe tatsächlich eine Menge gelernt.«
»Zum Beispiel?«
»Man muß seine Wahrheit leben, wie du gesagt hast.«
»Und was ist deine Wahrheit?«
»Daß ich neugierig bin. Wenn man immer mit demselben Mann schläft, verliert man alle Vergleichsmöglichkeiten. Man wird eingleisig. Das Selbstbewußtsein leidet darunter. Das Salz fehlt.« Sie hat aufgehört zu stricken. »Aber wenn du mir von deiner Frühstücksfreundin erzählst, regt mich das an. Vielleicht geht’s dir mit meinem Abendkursfreund ähnlich?«
»Das kommt drauf an...«
Franziska lacht
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