Die Frühstücksfreundin
Waldorfsalat holen, bitte? Nur Waldorf.«
Der Jungunternehmer entsprach ihrem Wunsch. Das Omilein wandte sich an ihre Schwiegertochter, die sie dazu ausersehen hatte, ihr das Schultertuch aus der Garderobe holen zu dürfen, ein Anlaß für Robert, sich einzumischen. An sich hätte Karl gehen müssen, doch der war verschwunden. Eines wußte Robert jetzt schon: Lange würde er auf diesem förmlichen Fest nicht bleiben. Konversation und Pflichttänze — das war nicht Geselligkeit nach seinem Geschmack. Als er von der Garderobe zurückkam, fand er den Stuhl der alten Dame leer.
»Omilein tanzt mit ihrem Karlibubi«, alberte Karin und nahm ihm das Schultertuch ab. »Danke dir.«
»Sagen Sie mal, ist Ihre Schwiegermutter Löwe?« fragte Christine. Der Präsident der Anwaltskammer war aufgestanden, um mit leichtem Hackenschlag Gestatten Sie zu sagen. Christines Frage brachte ihn wieder zu Stuhl, weil er in seiner Jugend noch gelernt hatte, daß man eine Dame nicht zum Tanzen auffordert, wenn sie sich gerade unterhält.
»Wie kommen Sie denn darauf?« fragte Franziska. »Ich dachte nur«, Christine zog die Schultern hoch, »die Art, wie sie hofhält und uns mit sich beschäftigt.«
»Sie haben recht«, sagte Karin, »Omilein ist Löwe und hat als Aszendenten den Elefanten.«
Christine wollte wissen, was der Elefant als Aszendent speziell bewirke, und Karin erklärte es.
»Omilein hat eine zertrümmernde Grazie. Besonders wenn sie versucht, sich anmutig zu bewegen.«
Der Jungunternehmer brachte den Waldorfsalat und kam dem Präsidenten der Anwaltskammer zuvor: Er nahm Christine mit. Vergnügen und Verpflichtung wechselten einander ab, bis jeder am Tisch mit jeder am Tisch getanzt hatte. Wie es sich gehört. Von einem endlosen langsamen Walzer brachte Robert das Omilein zurück, entschuldigte sich, ging auf die Terrasse und lehnte sich an das Geländer.
Luft! Und eine Weile nicht reden müssen.
Da entdeckte ihn Franziska.
»Komm mit. Ich mach euch bekannt.«
Im Gedränge vor der Bar sah er den hageren Kirschner, zu dem sie ihn bringen wollte, und an seiner Seite eine Frau... Sidonie.
Die Musik setzt wieder ein.
»Nicht jetzt.«
Robert ist stehengeblieben und hält Franziska am Arm fest. Sein Kopf verarbeitet Daten. Wieso ist sie hier? Davon war nie die Rede. Durch ihren Robert, der überallhin Beziehungen hat? Oder durch Kirschner? In seiner Klinik lag sie ja. Ist er der Chefarzt, mit dem sie liiert war?
Auch Sidonie hat ihn gesehen; Kirschner grüßt herüber, bereit zu sprechen. Robert lächelt höflichgemessen und zieht Franziska hinaus auf die Terrasse.
»Das war unhöflich, daß du sie so weggedrängt hast«, sagt sie.
»Es eilt ja nicht, Liebes. Wenn dein Verehrer sich gerade unterhält.«
Er nimmt sie um die Taille und bewegt sie rhythmisch weg. Weg. Bei jeder Drehung überprüft er die Lage. Wo ist sie? In unmittelbarer Nähe jedenfalls nicht. Vorn beim Geländer produziert ein reifer Mastgänserich Imponiergehopse vor einem jungen Gänschen. Der Hopser ist Karl.
»Warum muß er sich immer zur Schau stellen?« fragt Franziska.
»Er muß«, sagt Robert. »Er kann nicht anders.«
»Ich bin froh, daß du nicht so bist«, sagt sie.
So fleißig Robert sich auch umsieht, so behend er die Peripherie entlangtanzt, Sidonie ist nicht mehr zu sehen, der Professor taucht einmal auf, im Lichtbogen der großen Flügeltür — allein. Robert dreht Franziska mit dem Rücken zu ihm, da kommen Christine und der Jungunternehmer breitseits; sie bleiben zusammen stehen und wechseln mit dem nächsten Stück die Partner. Christines Atem macht Nähe zum Vergnügen. Leicht und lenkbar lehnt sie in seinem Arm, bei dem langsamen Rhythmus wirkt ihre Gesamtauflage hochkulinarisch. Drüben wird Franziska bewegt, korrekt, wie vom Firmenchef vor dem Betriebsrat. Eines hat sie allen Frauen hier voraus: ihre Ausstrahlung von Heiterkeit und Frische. Sie provoziert Ritterlichkeit. Christine kommt ihr darin am nächsten. Doch in ihrem Alter gehören solche Zutaten eigentlich zur Grundausstattung. Sidonie ist ganz anders. Zu ihr fallen ihm nur Boulevardvokabeln ein: gutklassig, souverän, international. Wörter, die Wunschträume umschreiben, sind abgegriffen.
»Wollen wir was trinken?« fragt Robert, um in der Bar nach Sidonie suchen zu können. Zum Glück ist Christine durstig. Noch vom Tanz hat er den Arm um ihre Taille gelegt und schiebt sie in den schummrigen Raum.
Da ist Sidonie, ihr Rücken. Unter seinem Blick dreht sie
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