Die Frühstücksfreundin
fremd vorkommt, als habe er es nie betreten, läuft die Straße hinauf in den Altbau hinein, fremd auch der, die Luft im Treppenhaus.
Blicklos, wie einer, der tatsächlich etwas vergessen hat, hastet er in die lackierte Bürgerpracht, zum Kühlschrank, den er aufreißt und sich auf ein Knie vor ihm niederläßt. Ein gieriger Blick, und dann greift er, öffnet, wickelt aus, stopft in den Mund, schleckt vom Finger, ohne Besteck, ohne Manieren. Robert frißt.
Seine Tatkraft tobt sich in Heißhunger aus. Mit dem Biß in eine Gurke schluckt er Luft. Und die kommt zurück. Robert genießt den Laut, den er, gleichsam als Ausdruck von Kreativität, frei strömen läßt. Erst das Echo fährt ihm in die Glieder.
»Robert.«
In der Drehung gewahrt er den Morgenmantel mit dem aufgestickten »S« an der Badezimmertür. Und wie ein S liegt sie auf dem Bett.
Sidonie.
Ruhig zu Ende kauend tritt er an das Bett, schaut in die grauen Augen, läßt sie ihm entgegenschwimmen, gegen den Strom, der von ihm nicht kommt, läßt sich erreichen, sich greifen mit flehentlichem:
»Verzeihen Sie.«
Was nützt alle Konsequenz gegen Eitelkeit und Gelegenheit? Schon hat er die Brücke betreten, die ihr Blick ihm baut, streckt die Hand nach ihr aus und die zweite. Wie neu sie sich anfühlt nach der langen Pause.
Was niemand ihm zutraut, hier ist es ihm gegeben. Vergessen ist sein Fehler, die nicht eingehaltene Spielregel, der wiedergewonnene Friede zu Hause.
Nicht denken. Keine Entscheidung. Im Zweifelsfall immer beides.
»Robert! So inkonsequent war ich noch nie. Ich fürchte, ich liebe Sie.«
8. Sofort wieder versöhnen
Kleiner Pinguin, wie Karl den Smoking nannte, überwog. Nur wenige Unsichere oder weltanschaulich übermäßig Gefestigte trugen Nonkonformistisches zur Schau; die Damen lang.
Franziska hat doch nicht das Gelbe angezogen, das Robert nicht mag. Ein Neues hat sie sich gekauft, das ihm ausnehmend gut gefällt.
Die Normalbeleuchtung war durch Girlanden mit Hunderten bunter Glühbirnen ersetzt, wie an Strandpromenaden. Jedes Fenster, jeder Türstock strahlte lichtumrahmt. Dreihundert Gäste seien da, hieß es, verteilt auf Restaurant, Lounge, Bar, ohne Tischordnung. In der Eingangshalle befand sich das fettglänzende Büffet, von dem dreiste Mäuler behaupteten, es sei eine Public-Relations-Geste des neuen Krankenhauses; für rhythmische Kommunikation war die Terrasse da, bei schlechtem Wetter wäre man einfach in die Turnierhalle umgezogen. Doch die Nacht war sommermild und sternenklar, und weil die Kapelle ohne Verstärker spielte, konnte man sich beim Tanzen sogar unterhalten. »Wo warst du denn vorhin so lang?«
»Ich hatte einen Verehrer«, sagte Franziska, »ich wollte mir nochmal Krabben holen, da hat mich ein Herr in ein Gespräch verwickelt. Alte Schule, richtig wohltuend.«
»Aha.« Mehr fiel Robert nicht ein.
»Er hat mich vor den Krabben gewarnt. Wegen dem Konservierungsmittel. Er scheint etwas davon zu verstehen.«
»Aha, Hochseefischer.«
»Quatsch. Arzt.«
»Ist er sehr groß?«
»Ja.«
»Und hat dichtes weißes Haar?«
»Ja.«
»Dann kann’s eigentlich nur Professor Kirschner sein, der Chef vom Klinikum.«
»Meinst du?«
»Den halt uns mal warm. Man kann nie wissen.«
»Du denkst aber auch an alles. Schrecklich.«
Da wird von dem nicht mehr ganz jungen Jungunternehmer, der mit am Tisch sitzt, Christine vorbeigetanzt. Mit einer Kopfbewegung zu ihr sagt Franziska: »Eigentlich ist sie ganz nett.«
Robert tanzt auf Distanz und lächelt sie an:
»Nicht mehr eifersüchtig?«
Franziska schüttelt den Kopf.
»Jetzt komme ich mir ziemlich albern vor. Du mußt auch mal mit ihr tanzen.«
»Das eilt nicht, Liebes.«
Die Musiker setzen ihre Instrumente ab; die Paare schwärmen zu den Tischen aus.
»Da ist er. Mein Verehrer.«
Robert schaut durch den bunten Lichtbogen in die verqualmte Bar, an der sie vorbeidrängen.
Kirschner.
Der hagere Arzt, ihm vom Tennisplatz bekannt, unterhielt sich mit einer Frau, von der er nur den Rücken sah und nicht wußte, wem er ihn zuordnen sollte. Jedenfalls hatte er das Gefühl, sie zu kennen.
»Lang bleib ich hier nicht.«
Damit meinte Franziska nicht den Abend, sondern den Tisch. Am oberen Ende, in der Mitte der Lounge, residierte im eigens für den Abend gekauften Kleid und von ihren Lieben umrahmt das Omilein. Christine kam mit dem Jungunternehmer zurück, und schon appellierte Omilein an den Respekt vor dem Alter: »Würden Sie mir noch einen Teller
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