Die Frühstücksfreundin
ein. Er ärgert sich über sich, daß er wieder dasteht, als wäre er das Kindermädchen von Karl, das aufräumen muß, was der verwöhnte Kerl herumliegen läßt. Warum geht er nicht auch weg? Weil er das Mädchen nicht einfach stehen lassen kann. Und an den Tisch zurück kann er auch nicht. Robert trinkt aus Karls Glas. Bourbon Whisky, den er nicht mag, und macht das, was er nicht mag: Konversation.
»Sind Sie mit Ihren Eltern hier?«
Fassungslos sieht der Fratz ihn an.
»Wie kommen Sie denn darauf?«
Dazu fällt ihm nichts ein, er trinkt wieder von dem Whisky.
Jetzt schaut sie freundlicher.
»Sie haben einen ganz schönen Zug.«
Das scheint ein Maßstab zu sein, in dem Alter. Sie lächelt und beantwortet seine Frage, womit er wirklich nicht mehr gerechnet hatte.
»Ich hab’s nicht so mit den Eltern.«
»Das heißt, Sie haben sie noch?«
»Naja, Vollwaise bin ich nicht.«
Wenn Birgit lächelt, wie jetzt, sieht sie weich aus, herzlich. Und neugierig.
»Sind Sie auch Rechtsanwalt?«
»Nicht ganz.«
»Also ein halber.«
»So kann man’s nennen.«
»Meinen Sie, Karl kommt wieder zurück?«
Seine Bereitschaft nachzusehen kommt so überzeugend, daß sie ihn am Arm festhält.
»Nein, nein. Bleiben Sie da. Es ist langweilig genug, das Fest.« Wieder schaut sie ihn freundlich an und gesteht: »Ich finde das ganze Leben langweilig.«
Dazu gäbe es einiges zu sagen. Aber wozu? Ersatzweise fällt ihm der Text ein, den sie bestimmt nicht hören will, ein väterliches »Aber aber! In Ihrem Alter. Da ist doch noch alles aufregend.«
Robert hat den Lichtbogen im Auge. Wenn Christine noch am Tisch sitzt, müßte Sidonie längst wieder herauskommen. Birgit lenkt ab, sagt ihm, womit er gerechnet hat.
»Sie reden wie ein Opa. So alt sind Sie nun auch wieder nicht.«
Darauf nimmt Robert noch einen Schluck Bourbon. Immerhin. Man weiß ja nicht, wie man wirkt, auf diesen Jahrgang. Die Unterhaltung fängt an, ihm Spaß zu machen.
»Was tun Sie?« fragt er, »was sind Sie?«
»Nichts.«
Wieder Opatext. Ob das nicht zuwenig sei. Mit einem Nicken gibt sie ihm recht, und er entwirft ein Psychogramm:
»Sie sind eine verwöhnte Tochter und deshalb elternfeindlich. Jetzt verstehe ich.«
Das hört sich interessierter an, als er wollte. Ihr Blick sagt es ihm. Wie kann er sie wieder loswerden? Niemand kommt durch den Lichtbogen. Birgit sagt etwas, er hört es nicht, trinkt wieder aus Karls Glas.
»Sie! Ich habe Sie gefragt, ob Sie mit mir tanzen wollen?«
Es klingt nicht launisch, mehr enttäuscht. Darauf ist er nicht gefaßt, versucht einen belustigten Blick und fürchtet abermals falsch verstanden zu werden. Und Birgit läßt nicht locker.
»Entweder Sie hören schlecht, oder Sie wollen nicht.« Statt ihm antwortet seine Erziehung. Wie ein Tanzstundenschüler stellt er sich in Aufforderungspose. »Schon gut.« Birgit lacht. »Ich erlöse Sie. Wiedersehn.« Ihr Blick geht an ihm vorbei, zu einem Jüngling, dem sie, schon halb tanzend, entgegeneilt.
Auf Abstand folgt Robert, geht hinaus, auf die Terrasse, tritt an das Geländer. Was soll er tun?
Das ist doch Franziska?
Drunten auf der Bank vor dem Center Court. Franziska mit Kirschner, versonnen, versunken in die tiefsten Tiefen abendländischen Geistes, was offenbar die andere Möglichkeit sich zu amüsieren darstellt. Man sollte nach Hause gehen, raus aus dieser aufregenden Langeweile.
»Da sind Sie ja!«
»Christine.«
Wortlos legt sie ihre Hand um seinen Nacken, schwenkt ihn in den Kreis der Tanzenden. Sie müssen nicht reden, kennen einander, als gehörten sie zueinander, fühlen einander, als sei ihnen alles vertraut. »Sieh da!« tönt eine amusische Stimme. »Mein Freund Robert mit seiner Freundin Christine.«
Der Mastgänserich hat sich herangetanzt, nicht mit Birgit — mit Sidonie.
Christine lächelt, Robert lächelt, Sidonie lächelt, und Karl glänzt in Siegerpose.
»Bis gleich. An der Bar.«
Wieder lächeln alle. Sidonies Blick gilt Christine, ihrer Hand in Roberts Nacken und seiner Hand, die sie hält. Er tanzt zur Seite, damit sich Paare dazwischenschieben.
»Er muß denselben Aszendenten haben wie seine Mutter«, sagt Christine.
Der Bourbon meldet sich in der Kehle und im Kopf. Warum mußte er das Zeug auch trinken? Unverabredet tanzen sie zur Treppe, gehen hinunter in die Grünanlage, wo Franziska ihn übersieht — wieso eigentlich? — verlassen den Lichtkreis.
Christine paßt sich der Musik an, legt den Kopf an seine Schulter, ihr
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