Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frühstücksfreundin

Die Frühstücksfreundin

Titel: Die Frühstücksfreundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
Vom Netzwerk:
Kuß trifft seinen Hals, bei Wiederholung den Mund, da hält sie ihn, mit beiden Armen, die Augen geschlossen, während die seinen schweifen. Oben Sidonie, die ihn liebt und die er liebt, drüben Franziska, die ihn liebt und die er liebt, hier Christine. Zusätzliche Liebe ist wie die erste Million auf der Bank — wenn sich die Gefühle von Rückhalt so verschiedener Art überhaupt vergleichen lassen.
    »Nicht!« sagt er und verbessert sich, weil er sie nicht kränken will. »Nicht hier.«
    Oben steht Sidonie am Geländer. Sieht sie, daß er das nicht will? Für Souveränität ist Jugend hinderlich. »Christine, bitte!«
    Da kommt Rettung aus der Luft.
    »Professor Kirschner ans Telefon!« quakt es aus dem Platzlautsprecher, der sonst für rituelle Vokabeln wie Matchball, Einstand, Satz und Spiel reserviert ist. Robert reagiert mit einer Art Seitenwechsel, es drängt ihn zu Franziska. Wie im Arztroman eilt die sportliche Erscheinung des berühmten Professors die Stufen hinauf, von der betörenden Frau zum betäubten Patienten. Als Professor folgt er dem Ruf, auch wenn es nur ein Anruf ist. Verantwortung federt in seinem Schritt; sein Skalpell wird nicht zittern, das verspricht die sehnige Rechte schon jetzt, die das Geländer umfaßt, feinnervig und zupackend zugleich. Langsam folgt Franziska, deutlich beeindruckt von der Persönlichkeit dieses Vollakademikers, der sich ohne Murren der Pflicht stellt, dem Dienst am Menschen, rund um die Uhr.
    Da nimmt sich der Dialog der beiden Eheleute, die sich jetzt am Fuß der Treppe treffen, nachgerade septisch aus. »Du solltest dich mal wieder am Tisch sehen lassen. Es fällt allmählich auf.«
    »Denkst du, du fällst nicht auf?« Franziska sagt es schroff. Damit ist die Tonart für das Weitere festgelegt. »Wie siehst du überhaupt aus?«
    Mit dem Taschentuch wischt sich Robert die Stirn ab, schielt nach Christine, die der Jungunternehmer entdeckt hat und auf die Tanzfläche holt, glücklicherweise. Rasch fährt er sich noch über den Mund.
    »Du bist ja betrunken.«
    Das kann hilfreich sein. Aber er muß es abstreiten. »Ich bin nicht betrunken. Ich bin vollkommen nüchtern. Sonst hätte ich dich nicht so genau beobachten können mit deinem alten Knacker.«
    Wie erwartet bleibt sie stehen, wiederholt den Ausdruck, der sie treffen sollte, und verteidigt den alten Knacker. Ein hochgebildeter Mann, interessant und... Robert weiß es, weiß, daß er da natürlich nicht mitkommt, und sagt es, weiß auch, was jetzt kommt im Ritual der Vorwürfe: die gepfefferte Antwort für den >Alten Knacker<. Da ist sie schon:
    »So blöd kann nur ein Mann sein.«
    Und weil da logischerweise auch der alte Knacker mit einbezogen wäre, geht sie weiter, bis ihr noch ein Argument einfällt. »Im übrigen hast du gesagt, daß ich mich um ihn kümmern soll!«
    Sidonie und Karl sind nicht mehr auf der Terrasse, drinnen überragt der alte Knacker das Gedränge, und Franziska hat noch einen Trumpf.
    »Bring bitte deine Haare wieder in Ordnung. Du siehst aus wie ein zerzauster Gockel.«
    »Bin gleich wieder da.«
    Dezent weist er auf die Tür, die seinen plötzlichen Entschluß verständlich und ihre Gefolgschaft unmöglich macht.
    Drinnen steht Karl. Zwischen zwei Porzellanscheuklappen schaut er dem Strahl nach, als stelle der den Gipfel seiner Kreativität dar, was ja möglich ist. Stillende Mütter und pinkelnde Männer haben dieselbe stolze Versonnenheit im Blick, fällt ihm ein. Der Umschlagplatz ist gut besucht. Robert hat Zeit, sich zu kämmen — so zerzaust sieht er gar nicht aus — , bis Karls rechter Nachbar in den Kniekehlen einknickte. Der Pferch wird frei, Karl entdeckt den Freund.
    »Na, Junge, amüsierst du dich gut?«
    Robert geht auf den Ton nicht ein.
    »Ich finde es nicht sehr witzig, wenn du Christine als meine Freundin vorstellst. Was soll das?«
    Auch hier kommt, auf säuerlichem Atem, die erwartete Antwort: »Sei nicht so empfindlich, Junge. Ist ja nur Spaß. Das traut dir sowieso kein Mensch zu.« Faunisch grinst Karl herüber und ist schon wieder bei sich: »Was sagst du denn zu meiner neuesten Errungenschaft?« Mit Könnerlächeln knickt er in den Kniekehlen ein; beim Händewaschen an der gegenüberliegenden Wand treffen sie sich wieder.
    »Du warst nicht sehr höflich zu Birgit. Du hast sie einfach stehenlassen. Sie tat mir leid.«
    »Ach, das krieg ich schon wieder hin. Aber die Frau, mit der ich vorhin getanzt habe...« Wieder streift ihn der säuerliche Atem. »Eine

Weitere Kostenlose Bücher