Die Frühstücksfreundin
Schließlich meldet sie sich über die Sprechanlage:
»Sie sollen zum Chef kommen!«
Was kann geschehen sein? Hat er einen Fehler gemacht, zerfahren, wie er ist? In der schalltoten Chefetage verdichten sich die Befürchtungen zur Kündigung. Bevor Robert anklopft, entspannt er sich, rückt die uni-Krawatte zurecht, bringt Ausstrahlung mit, wird gleich weitergeleitet zum Besuchersessel vor dem Louis-seize-Schreibtisch. Herrenlächeln kommt auf. »Eine nicht unschwierige Angelegenheit«, der Chef, auch er mit uni-Krawatte, reicht Robert einen Schnellhefter hinüber. »Lesen Sie’s durch und fahren Sie hin.« Hat er richtig gehört? Der Chef spricht weiter.
»Es geht darum festzustellen, ob alles so ist, wie geschildert — eine heikle Aufgabe, ich weiß. Es gehört Fingerspitzengefühl dazu, und da habe ich an Sie gedacht. Ich erwarte Ihren Bericht.«
Schon ist Robert wieder draußen, kehrt in den Hallraum seiner Gehaltsklasse zurück. Franziska wird sich freuen. Und er kommt auf andere Gedanken.
»Jetzt ist die Leitung frei.«
Petra verbindet mit Karls Kanzlei. Als die Stimme des Freundes die Leitung füllt, weiß Robert einen Augenblick lang nicht, was er mit ihm reden wollte. Aber es ist ohnehin Karl, der redet.
»Vorgestern habe ich mit ihr zu Mittag gegessen und gestern abend war ich bei ihr eingeladen.«
Bei Sidonie? hätte Robert beinah gefragt, doch der Selbstselige läßt ihm keine Lücke.
»Du weißt ja, bei meiner neuen Errungenschaft. Fabelhafte Wohnung, erlesene Stücke — hochkultiviert. Habe auch den Mann gesprochen — hochkultiviert, und ich war natürlich auch hochkultiviert.«
»Und sie ist nicht krank?«
Robert beißt sich auf die Lippen.
»Wie kommst du denn darauf? Wenn sie mich einlädt, wird sie ja nicht krank sein.«
Robert übergeht seinen Lapsus.
»Wie hast du denn das so schnell geschafft?«
»Regie, Junge, Regie. Und natürlich Sympathie.« Robert schluckt trocken:
»Und was sagt der Ehemann dazu?«
»Nicht viel. Der ist sehr zurückhaltend. Bei seinem Alter das beste, was er tun kann.«
Robert räuspert sich. Seine Stimme ist belegt.
»Und wie geht’s jetzt weiter?«
»Wir haben unsere Kontakte vertieft. Du kennst mich ja.«
»Du siehst sie also wieder?«
»Sag mal, Junge, seit wann interessierst du dich denn für so was? Das kenne ich gar nicht an dir. Sonst predigst du immer Moral. Du willst wohl was dazulernen?« Er lacht zu laut. »Ich halte dich auf dem laufenden!«
Robert weiß nicht recht, was er ihm glauben soll und was nicht. Aber eines ist ihm klar: Karl hat Sidonie gesehen.
Das Feuerwerk ist abgebrannt, Karl fing zu klagen an. Die Fassade vor Omilein sei kaum noch aufrechtzuerhalten; gestern hatte ihn Karin, als er heimkam, ins Gästezimmer evakuiert.
»Dabei hatte ich nur meinen ehefreien Abend«, schloß Karl, »und auf dem besteh ich. Bei euch klappt’s doch auch.«
Robert sagte nichts. Am liebsten hätte er seinen Freund erwürgt. Vielleicht auch Sidonie. Es muß etwas geschehen. Mittags im Appartement fällt er eine Entscheidung: Schluß mit allem! Konzentration auf die berufliche Chance. Das Appartement aufgeben, die Schulden an Karl zurückzahlen.
Ein Druck auf die Sprechtaste: »Petra, ich bin für niemand mehr zu sprechen.« Dreimal hintereinander las er die Akte durch, machte sich Notizen und nahm sie mit nach Hause. Unterwegs verließ er den Stau auf dem Altstadtring, fuhr die Nebenstraßen zu der Bäckerei, um ein Schwäbisches Bauernbrot zu kaufen. Franziska wird sich freuen, wenn er ihr von dem Auftrag erzählt.
Ein Blick hinüber auf die andere Straßenseite — dort auf dem Gehsteig, kein Zweifel, das war sie — , Franziska. Mit einem Mann, einem jüngeren, nicht jünger als sie, aber jünger als er, vermutlich. Vergnügt kamen die beiden daher, harmonisch, optische Terzlage. Sie sah ihn nicht. Gewiß kein Grund, kein Bauernbrot zu kaufen. Warum sollte sie nicht jemand treffen in der Stadt, sich unterhalten? Öffentlich ist immer harmloser — dachte er. Vielleicht wird das häusliche Klima dadurch besser? Und wer ist zu Hause bei den Kindern? Jennifer nahm ihm das Brot ab:
»Hast du uns auch was mitgebracht?«
Robert hatte sie nicht vergessen, teilte Gummibärchen aus, was sie freute.
»Wo ist denn die Mami?« fragt er. »Ist sie nicht da?« Karin kam aus dem Wohnzimmer und begrüßte ihn kühl als Herrn des Hauses. Sie vertrete Franziska, die kurz habe weg müssen, aber gleich wiederkommen würde.
»Nachher möchte ich mit
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