Die Frühstücksfreundin
versucht, mich anzurufen. Aber es war dauernd besetzt.«
»So?« Robert zeigt sich erstaunt und hängt eine Frage dran: »Von wem sind eigentlich die Blumen?«
»Die hat mir jemand geschickt.«
Und sie läßt den Satz im Zimmer stehen, wie die fünfzig Stengel in der Vase. Robert räumt seine Akten zusammen. In den eigenen vier Wänden dickt Unfrieden besonders schnell ein. Er geht ihr nach, leert im Schlafzimmer seine Taschen, klimpert das Hartgeld in den Kristallaschenbecher, daß sie aufschaut. Er wollte gerade seine Hose ausziehen, vor dem Hemd, wie immer, ändert aber die Reihenfolge, zieht nur das Hemd aus, so lange sie da ist, auf der anderen Seite des Bettes, das sie trennt, dasitzt und werkelt. Leitet sich ins Bad um, putzt die Zähne, ruft ihr gegen das Schweigen einen Satz zu, der die Kinder betrifft. Die Kinder sind im Augenblick ihre wichtigste Verbindung. Franziska hat ihren späten Fleiß dem Wandschrank in der Diele zugewandt. Unordnung in der Seele provoziert Aufräumungsarbeiten außen, Gewohnheiten werden geändert, wobei sich beide den Anschein geben, gewohnheitsmäßig zu handeln.
Als er im Schlafzimmer endlich die Hose los wird, geht sie ins Bad und bleibt lange. Sonst ziehen sie sich miteinander aus. Doch die optische Brücke bleibt ungenutzt. Sämtliche zur Vereinigung anregenden, beziehungsweise eigens für sie vorgesehenen Teile werden verborgen. Es gibt nichts Keuscheres als ein zerstrittenes Ehepaar. Man will einander unter keinen Umständen daran erinnern, wie schön man es haben könnte. Das hindert indessen nicht, sich um gefälliges Äußeres zu bemühen. Getrennt, aber möglichst adrett begibt man sich zu Bett. Wer zuerst drinliegt, ist im Vorteil, denn obwohl beide so tun, als beachteten sie einander nicht, fühlt sich doch jeder beobachtet, in jeder Bewegung. Verpaßte Versöhnung wirkt wie kybernetische Fehlsteuerung: Man tut so sehr, als wäre nichts, daß der andere merken muß, es ist etwas.
Wenn sie dann nebeneinander liegen, schwillt das Schweigen zum Lärm an. Wer anfängt zu reden, ist aber nicht der Klügere. Zur Sache kommen heißt in der Ehelogik: eingestehen, auch ohne Schuld. So kommt es zum Sperrdialog: Besonnenheit erzeugt Widerstand. Begriffsstutzigkeit, sonst überspielt oder versteckt, bekommt Hebelwirkung. Gleichzeitig wird dem Partner Scharfsinn unterstellt. Doch jeder Ansatz zur Versöhnung zerschellt an einem provokanten Ausatmen, das sich wie Stöhnen anhört.
»Was ist denn?«
»Das weißt du ganz genau.«
»So kann es doch nicht weitergehen.«
»Wird es auch nicht.«
»Wie meinst du das?«
»Ich muß jetzt schlafen.«
Ähnlichkeiten mit Gesprächen in anderen Betten sind unvermeidlich. Die Variationen kleben eng am Leidmotiv.
»Was ist eigentlich los?«
»Was soll los sein?«
»Das frage ich dich!«
»Das kann ich dich auch fragen. Aber nicht jetzt.« Ebensogut könnte Robert ihr die Hand entgegenstrecken und sagen:
»Wann reden wir mal?«
»Ein andermal.«
»Warte nicht zu lang. Ich warne dich!«
(Provokantes Ausatmen!)
Reden ändert in dieser Phase nichts. Bevor die Batterie der Liebe nicht wieder aufgeladen ist, wird die Illusion von der Schuld des andern gegen alle Vernunft verteidigt.
Wohlweislich hatte Robert seine Hand nicht nach ihr ausgestreckt, sie nur unübersehbar in die Nähe gelegt. Da lag sie, bis Franziska das Licht ausschaltete. Ihre Hand erwischte er nicht, aber ihre Hüfte, die sie ihm für Sekunden ließ, bevor sie sich wegdrehte, außer Reichweite, und er die Hand wieder zu sich nahm. »Gute Nacht, Liebes.«
»Guten Morgen, Liebes« zu sagen, wäre Galgenhumor. Die fünf Minuten sind um, Robert muß das Frühstücksei selber essen. Dieses Warten macht einen krank. Da fällt ihm der Haken an der Badezimmertür auf; der Löffel stoppt vor dem Mund: Sidonie hat den Morgenmantel geholt! Und ihre Utensilien aus dem Bad. Es ist aus. Nein. Der Installateur.
Da sind die Sachen. In der Schublade. Auch die Frotteetücher, noch von letzter Woche. Aber ist es nicht trotzdem aus? Dieses Abbrechen, ohne Information — wenn sie die Sachen tatsächlich geholt hätte, das wäre doch wenigstens etwas.
Im Café war er noch nicht. Vielleicht ist sie heute da. Tiedemann hat Neuigkeiten:
»Unserer Freundin geht es nicht sehr gut. Sie ist zu Hause.«
Einer der Herren von der Bank bestätigt es. Robert wird Karl anrufen, sobald er in sein Büro kommt. Die Kanzlei ist dauernd belegt. Petra bemüht sich für ihn, was nichts ändert.
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