Die Frühstücksfreundin
Sidonie, lässig-körperlich wie eine Großkatze, und zwischen beiden die Kinder. »Vielleicht gibt’s Himbeer, Pappi.«
»Oder Pistazie.«
Auf jeden Fall gibt’s Schwierigkeiten. Vor Sidonie erreicht er das Zelt.
»Bitteserr?« fragt der dunkle Erfrischungswart treffsicher, als seien Deutsche anders gewachsen als Belgier, Dänen oder Luxemburger. Sidonie tritt neben ihn; beide atmen hörbar.
»Sie waren zuerst da«, sagt Robert.
Sidonie nimmt ihre Sonnenbrille ab, fassungslos sehen ihn die grauen Augen an. Robert lächelt. Sie hat sich noch nicht gefaßt. Etwas hilflos, als suche sie jemanden, sieht sie sich um.
»Bitteserr?« erinnert sie der Erfrischungswart an sein Geschäft, und Robert wiederholt:
»Sie waren zuerst da.«
Endlich, nach Sekunden, nickt sie, dankt ihm mit einem kurzen, zärtlichen Blick, schaut sich seine Kinder an, die er festhält, weil sie nicht begreifen, warum sie nicht zu allererst drankommen.
»Hier sind zwei, die vor uns da waren«, sagt sie. »Wenn ich nur wüßte, was Himbeer und Pistazie auf italienisch heißt.«
Robert weiß, daß sie es weiß und hält so das Gespräch in Gang. Die Kinder bekommen ihre Waffeltüten mit den eisigen Kuppeln himbeer- und pistazien-farben. Sie rennen nicht davon, sondern bleiben brav bei ihrem Pappi und schauen die fremde Dame an. Franziska schaut herüber.
»Ist es gut?« fragt Sidonie und nimmt sich eine Limonade.
Die Kinder nicken und schlecken.
»Dabei ist Eis sicher nicht das Gesündeste in der Hitze. Man sollte zur Abkühlung besser schwimmen, weit hinaus«, sagt er und deutet aufs Meer.
Sidonie nickt ihm zu.
»Man muß aber vorsichtig sein.«
Robert läßt sie zuerst bezahlen, nimmt noch eine Limonade für Franziska mit und geht zurück zum Sonnenschirm. Jetzt rennen die Kinder voraus. Gemächlich folgt der Vater und berichtet:
»Wir haben alle bekommen, was wir wollten. Eine Dame hat übersetzt.«
»Das hätte ich auch gekonnt.«
Franziska zeigt ihr Buch, einen Sprachführer. Auf die hilfreiche Dame geht sie nicht ein.
»So.« Robert zeigt sich straff. »Ich gehe jetzt ins Wasser, Liebes. Und du?«
»Ach, ich weiß nicht.« Franziska streckt ihre Elfenbeinbeine. »Geh du mal allein. Ich lese lieberund döse.«
»Wie du meinst.«
Drüben geht Sidonie ins Wasser.
»Mir ist nicht danach. Heute jedenfalls nicht.«
Dann werde eben allein schwimmen, lange und weit hinaus, sagt er. Er habe das Bedürfnis.
Ungefähr zwanzig Köpfe ragen aus dem Wasser; weiter draußen kann man sie wegen der Spiegelung kaum noch sehen. Martin begleitet ihn bis zum Wasser. »Pappi, gibt’s hier Delphine?«
»Ich schau mal nach.«
»Und Haie?«
»Die sind jetzt in Urlaub in der Nordsee.«
Er streichelt den runden Bubenhinterkopf. Sidonie hat sich unter den Köpfen im Wasser verloren. Sehr gut. Robert schickt sich an, das zu tun, was er nicht gern tut: Schwimmen im Meer. Naiv schwimmt er, schutzengelbedürftig, wie ein Bergtourist, der in Tennisschuhen zum Gipfel drängt. Sidonie hält ihn über Wasser und er Sidonie, die hier draußen, wo die Hochseeschiffahrt endet, überhaupt nichts verloren hat. Robert hält geradewegs auf eine Yacht zu, vor der sein Kopf vom Ufer aus nicht zu sehen ist. Auf diese Entfernung sieht man Köpfe bestenfalls gegen den Horizont, wenn überhaupt noch.
Da kommt sie. Im weiten, kräfteraubenden Bogen. Mit einer Hand an der Ankerkette erwartet sie der unterkühlte Geliebte, umfaßt die glitschige Vertrautheit. Per Sie einander im offenen Meer zu umklammern, das ist schon ein hoher Grad an Verfremdung. Zähneklappernd stammeln sie die trainierten Zärtlichkeitsformeln Robert und Liebes, alles schmeckt salzig, ihre Gänsehäute reiben sich aneinander, widerhakig wie zwei Holzfeilen.
»Robert! Ich habe es mir so gewünscht. Das war Telepathie.«
Sie ist völlig außer Atem.
»Es war unerträglich, diese Trennung.«
Hastig lieferte er die Geschichte zu der gelungenen Überraschung, hastig holt sie Luft:
»Ich dachte, ich falle um, als ich Sie sah, vorhin. Wir müssen sehr vor...« Eine Welle schwappt ihr ins Wort. »Das ist anstrengend, was wir hier machen. Oh, Robert! Wir haben keinen Boden mehr unter den Füßen«, sphinxt sie, denn das Meer, das fühlen beide, drängt zu Konsequenzen. Um sich einander auch an Land mitteilen zu können, verabreden sie im Überschwang nach Marinevorbild Flaggenzeichen mit Handtüchern und Badekleidung auf den Baikonen. Über die Toppen geflaggt — also volle Geländerbreite —
Weitere Kostenlose Bücher