Die Frühstücksfreundin
kennt er nicht, kann sich in Unruhe Franziskas Rücken widmen, mit dem wohlriechenden Öl, bis die Kinder kommen, frisch geduscht und angezogen.
»Gibt’s bald was zu essen?«
Das gibt es bald, in der Nähe, nach ergebnislosem Rundblick. Dann wird den Kindern erklärt, sie seien jetzt müde, weil sie wachsen. Nur der restlos erledigte Vater ist noch nicht müde, kann seine Unruhe als Frische ausgeben. Er muß gehen, durch den Ort, da einen Wein trinken, dort einen Grappa, hier ein Eis essen, mit folkloristisch getarntem Rundblick nach den Bronzebeinen. Und spät noch, auf dem Balkon, aus unersättlichem Luftbedürfnis hinausstarren in die Nacht, hinüber, in der Hoffnung, einen Lichtspalt hinterm Laden als Gruß verstehen zu können, bis Franziska mit sanfter Stimme insistiert:
»Robert, komm doch endlich ins Bett.«
Seine Rechnung war falsch. Die Nähe bringt keinen Seelenfrieden.
Das ist sein Ferientag:
Morgens Sidonie — ferner als zu Hause. Dabei macht sich das Reizklima schon nach dem Erwachen bemerkbar. Franziskas Wunsch ist ihm Entspannung.
»Ach Robert! Wie schön ist das, wenn du morgens da bist.«
Während Franziska sich duscht, schöpft er Morgenluft, nimmt die Wäsche ab. Das Balkongeländer drüben ist leer. Nur das Handtuch in der linken Ecke, noch von gestern.
»Ist meine kleine Hausfrau wieder emsig?«
Franziskas Arme stehen wie Leitplanken zur Koppel aller Genüsse. Ihr Kuß schmeckt tubenfrisch.
»Mir ist, als wären das unsere ersten Ferien. Flitterwochen mit schulpflichtigen Kindern.«
»Du hast ja so recht gehabt, Liebes. Man muß auch mal nicht sparen können.«
Ein Schlag gegen die Tür läßt den Frieden zusammenzucken.
»Gibt’s bald Frühstück?«
Scheißkinder.
Rasch rhythmisiert sich das Neue, das Andere: Frühstück auf der Terrasse mit Rundblick — keine Sidonie. Gang zum Strand, Sidonie in der Sonne, lange Hosenbeine unterm Schirm, mit Buch, Elfenbeinbeine unterm Schirm mit Buch, bräunender Robert daneben, Spielen mit den Kindern am Wasser, Rundblicke, Bronzebeine erheben sich, Rundblicke, Bronzebeine waten ins Meer, spielmüder Pappi kündigt Ertüchtigung an, sticht nach Rundblick in See, große Abstände, kräfteraubende Umwege, Gänsehautscheuern bei der Ankerkette, Salzküsse, unterkühlte Zärtlichkeiten. Trotzdem hat die Liebesstrapaze einen überraschenden Nebeneffekt: Was an Land mit Gefühlen befrachtet würde, hört sich hier draußen anders an.
»Sie sind ein rührender Vater, Robert. Geduldig und liebevoll. In der Rolle lerne ich Sie ja jetzt erst kennen, wo ich Sie beobachten kann. Bisher kannte ich doch nur den Zuckerguß. Die Kinder sind reizend, etwas Besonderes.«
Das bedeutet viel bei ihr. Auch Franziska wird gelobt: »Ich wußte nicht, daß sie so gut aussieht. Sie ist mir ausgesprochen sympathisch. Überhaupt — ihre Familie wirkt sehr harmonisch.«
Das ist die Essenz der ersten Tage.
Die stille Beobachterin des Familienlebens hat recht. Sie sind eine harmonische Familie. Das beobachtet auch er, bevor sein Auge zum nächsten Rundblick abschweift.
»Warum gehst du nicht in die Sonne?«
»Sie mag mich nicht, dieses Jahr. Ich kriege sofort einen Sonnenbrand, bei meiner Haut. Ich muß ja auch nicht braungebrannt sein, um die Leute zu überzeugen, ich hätte mich erholt.«
Ohne Rundblick denkt er an die Bronzebräune zehn Schirme weiter. In Franziskas Nähe an Sidonie zu denken, erweist sich jedoch riskant. Aus heiterem Himmel hat sie ihn nach seiner Frühstücksfreundin gefragt, weil er gar nichts mehr von ihr erzähle.
»Die ist weg, ins Ausland«, hat er geantwortet und damit die Wahrheit gesagt. Oder als er mit bleischweren Armen aus dem Wasser kommt und sich erkundigt, was Franziska denn gemacht habe in der Zwischenzeit.
»Gelesen«, sagt sie, »gedöst und Leute beobachtet.« Es trifft sich gut, daß er eine Beschäftigung hat, während sie berichtet. Er muß sich abtrocknen.
»Zum Beispiel das Paar da vorne. Die machen es genau umgekehrt wie wir. Er liegt im Schatten und liest und sie brät in der Sonne. Oder sie schwimmt. Fast so lang und weit hinaus, wie du. Das ist doch sehr anstrengend. Ich bewundere diese Frau.«
Robert legt sich in die Sonne und atmet tief.
»Die beiden sind überhaupt sehr sympathisch«, fährt Franziska fort, »eine gute Ehe, so harmonisch. Und irgendwie kommt sie mir bekannt vor.«
Mit geschlossenen Augen liegt er in der Sonne.
Es gibt unbewußte Schwingungen zwischen zwei Frauen. Durch den Mann, der ja
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