Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frühstücksfreundin

Die Frühstücksfreundin

Titel: Die Frühstücksfreundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
Vom Netzwerk:
heißt: Ich denke an Sie! Auch mit Textilien bleibt die distanzierte Anredeform gewahrt; ein Handtuch links bedeutet etwas albern: Gute-Nacht-Kuß; ein Badekleidungsunterteil rechts, sinnigerweise: Ich habe Sehnsucht! Ein Handtuch in der Mitte: Es ist etwas dazwischengekommen — so wie gestern, als sie über Land waren — , also: Geduld; und zwei Handtücher in der Mitte signalisieren Sturmwarnung: Vorsicht!
    Zeit und Unterkühlung drängen. Ein letztes Züngeln blau in blau, sie schwimmen auseinander und endlos zurück. Bewegung dämpft die Erregung — eine gute Zäsur. Robert will sich aus dem Wasser stehlen, um sich aufzuwärmen und sozusagen schon länger an Land zu sein. Aber Franziska lernt Vokabeln und schaut, wenn sie Aussprache übt, nicht ins Buch. »Robert! Warst du bis jetzt im Wasser? Wie siehst du denn aus? Du bist ja völlig überanstrengt.«
    »Das ist sehr gut so, Liebes«, antwortete er, mit der Hand am Kiefer, damit der nicht klappert, »Urlaub heißt Rhythmuswechsel.«
    »Hast du Delphine gesehen, Pappi?«
    »Einen. Ich hab mich lang mit ihm unterhalten.«
    »Kann er denn Deutsch?«
    »Mhm. Ausnahmsweise.«
    »Nimmst du mich morgen mit?«
    »Hm«, brummt der Pappi abwesend.
    Psychisch schlug sein Herz wieder langsamer, physisch dagegen viel zu schnell. Mit einem Blick übers Meer, dem Sidonie gerade entstieg, legte er sich in die Sonne und entspannte die strapazierte Muskulatur, atmete tief, bis er keine Luft mehr bekam und hochfuhr, um nicht zu ersticken. Da lachte die Familie.
    »Was ist denn?«
    »Du hast geschnarcht. Und Martin hat dir die Nase zugehalten.«
    »Scheißkinder.«
    Der Pappi lachte und sah sich um am Strand. Drüben ragten die Bronzebeine aus der Reihe. Sidonie mußte völlig erschöpft sein. Ein anstrengendes Wiedersehen. Um Mittag zog sich die Familie ein paar Dutzend Meter landeinwärts unter einen anderen Schirm zum Essen zurück, ohne wesentliche Verhüllungen vorzunehmen.
    »Das macht die Seeluft«, erklärte Robert seinen ungewöhnlichen Appetit und drehte den Kopf zu neuem Rundblick, von Franziska belustigt beobachtet.
    »Du schaust wie ein Tourist, der nachprüft, ob auch alles da ist, was man ihm versprochen hat.«
    Es war alles da. Sidonie und ihr Mann stilisierten die Faulenzerei zum Luxus: Sie ließen sich das Essen unter ihrem Badeschirm servieren, samt Tisch und Stühlen. Robert war zufrieden, solange die Entfernung nicht zu groß wurde, wie am Nachmittag, als Sidonie mit Vatermann den Strand verließ, in ihr Hotel verschwand und er sich nicht erklären konnte, warum schon so früh. Sofort meldete sich die Unruhe. Sollte das Reizklima auch den angetrauten Robert aktivieren? So wie Franziska?
    Aus dem Liegestuhl streichelte sie seinen Arm. Er wehrte sich mit Text: »Was wohl K&K machen?« Franziska sah ihn zärtlich an.
    »Daran will ich jetzt nicht denken.«
    Robert dachte daran. Um nicht an anderes zu denken. Karin war sehr umsichtig verschwunden in jener Nacht. Vor Tagesanbruch hatte sie ein Taxi gerufen und sich nach Hause bringen lassen, hatte von den Gartenmöbeln eine Matratze geholt, sich im Keller in die Sauna gelegt und weitergeschlafen. Am Vormittag, als Karl im Büro war und die Hotels durchtelefonierte, schlich sie in die Küche, ließ sich vom Mädchen Frühstück richten und fragte es nach Omileins Plänen aus. Die waren nicht schwer zu erraten. Ob Schwiegertochter verschwunden oder nicht, Punkt elf Uhr startete die alte Dame zu erneutem Einkauf. Karin konnte in ihr Zimmer, in Ruhe packen, warten, bis Sebastian aus der Schule kam, und mit ihm wegfahren. Abschied nahm sie telefonisch von Franziska und Robert, den sie bat, Karl auszurichten, daß sie die Scheidung einreichen werde.
    Die sinkende Sonne bestrahlt Robert mild auf dem Balkon. Franziska steht an der Tür, pflegt die Haut mit Öl und belächelt die Sorgfalt, die er den Badetextilien angedeihen läßt.
    »Du bist wirklich eine Superhausfrau.«
    »Im Gegenteil. Ich bin ein progressiver Ehemann.« Drüben hängt ein Handtuch auf dem Balkongeländer. Links. Das bedeutet — Robert muß nachdenken, noch ist ihm die Flaggensprache nicht geläufig — , das bedeutet: einen etwas verfrühten Gute-Nacht-Kuß. Da fährt er anders auf, flaggt über die Toppen, von einer Ecke bis in die andere:
    Ich denke an Sie!
    Ihre Balkontür steht offen, im Zimmer kann er niemand erkennen. Sie werden unten sitzen, etwas trinken um diese Zeit. Vielleicht gehen sie auch spazieren. Ihre Gewohnheiten zur Heure bleue

Weitere Kostenlose Bücher