Die Füchsin
sie die Aufmerksamkeit von ihm ab und sah sich in der Halle um. »Wo ist Renard?«
»Ich bin ziemlich sicher, daß er die Tochter des Falkners zum Locken ausbildet«, antwortete Heulwen. »Der neue Falke hat nicht mehr seine ganze Aufmerksamkeit nötig.«
»Jesus!« Judith rollte die Augen gen Himmel. »Der Junge hat die Moral eines hitzigen Katers.«
»Ja, und nicht einmal die«, sagte Guyon gelassen. »Er wird früher oder später die Sache leid werden, und das Mädchen des Falkners ist nebenbei kein unschuldiges Lämmchen, das sich so ohne weiteres auf einen Satz verschlingen läßt. Sie wird ihn ganz schön picken, und zwar so, wo es weh tut, wenn er über das, was willkommen ist, hinausgeht.« Er nickte in die andere Richtung der Halle auf die Gruppe von Männern, die sich dort versammelt hatte, und wechselte rasch das Thema. »Ich sehe, daß Sweyn und Aubrey noch bei dir sind, aber die beiden anderen kenne ich nicht.«
Adam verstand den Wink. »Ich mache sie mit dir bekannt«, sagte er mit einem Seitenblick auf die etwas ärgerliche Gräfin und Heulwen, die lächelte. »Stephen hat in Germanien geheiratet, und Saer hat die Kutte genommen. Ich mußte sie beide ersetzen. Der Junge ist mein Knappe, Derbys unehelicher Sohn. Sein Vater hatte ihn für seine Laufbahn in der Kirche vorgesehen, aber er wurde schon als Novize gefeuert, buchstäblich, weil er Feuer im Refektorium und die Dienerin eines Gastes im Skriptorium gelegt hatte. Er verspürte eben keinerlei Berufung. Sein Vater, Derby, hatte mich gebeten, ihn bei mir aufzunehmen und auf ein Leben mit dem Schwert vorzubereiten. Er macht sich bisher recht gut. Vielleicht behalte ich ihn, wenn er zum Ritter geschlagen wird.«
Guyon, der es in dreißig Jahren gelernt hatte, die Spreu vom Weizen zu sondern, betrachtete die Männer mit kritischem Auge. Sweyn, Adams englische Leibwache, war so mürrisch und zuverlässig wie immer, sein Mund ein faltiger Riß in einem roh behauenen Stück Felsen, seine Fäuste so rot und riesig wie Schinken. Aubrey Fitz Nigel war jetzt schon über zehn Jahre bei Adam: ein sanft sprechender Normanne mit etwas wässrigen Augen, einem dünnen blonden Schnurrbart und der Schlaksigkeit eines blassen, ohne Sonne gezogenen Sämlings. Sein Aussehen täuschte: In Wirklichkeit war er so hart und sehnig wie ein Stückchen ausgekochtes Leder.
Stephen und Saers Ersatz waren Vettern, zwei Angeviner und ausgesprochene Söldlingstypen, und Guyon hätte keinem von ihnen weiter getraut, als er einen der Begrenzungssteine von der Mauer heben konnte. Ferrars Bastard war ein kompakter, stämmiger Bursche mit grünlichen Haselnußaugen, einem Schopf aus holzfarbenen Locken und einer sommersprossigen Stupsnase, die ihn jünger aussehen ließ als die siebzehn, die er war, und wesentlich unschuldiger, als Adams Beschreibung ihn darstellte.
Zu der Gruppe gehörte auch noch ein Dutzend waffenerprobter Männer, die unzählige Scharmützel an der walisischen Grenze überlebt hatten und auch in dem Flickwerk aus Herzog- und Fürstentümern zwischen dem englischen und dem deutschen Reich. Eine mutige Mannschaft, und alle mit der herausfordernden Sicherheit erprobter Kämpfer.
»Gute Männer, um sie im Rücken zu wissen, wenn es mal hart auf hart geht«, sagte Adam, als sie die Soldaten allein ließen, um ihre Sachen von den Tischen zu räumen, auf denen jetzt das abendliche Mahl vorbereitet wurde.
»Waren meine Zweifel so deutlich zu erkennen?« Guyon schaute betroffen drein. »Dann werde ich alt.« Und, nachdenklich, mit einem Seitenblick auf Adam: »Werden sie nicht unruhig ohne Arbeit?«
»Wahrscheinlich, doch da sehe ich kein Problem. Ich rechne nicht mit längerem Frieden.«
Guyons Blick verhärtete sich. »In diesem Fall solltest du mir jetzt den Brief zeigen«, sagte er leise.
Adam zuckte ungerührt mit den Schultern. »Ich kann dir den Inhalt sagen und meinem Mann den Gang sparen. Ich weiß, was drin steht, weil ich dabei war, als Henry den Brief seinem Schreiber diktiert hat. Du wirst zum Weihnachtsfest auf Windsor eingeladen, und deine Familie ebenfalls.«
Guyon entspannte sich und führte Adam mit erleichtertem Brummen zu dem kleinen Söller am entgegengesetzten Ende der Halle, der vom Hauptraum durch eine schöne, fein geschnitzte Wand aus Holz abgetrennt war, in der sich ein mit Vorhang verdeckter Bogengang befand. »Nicht nur wegen der Freude, seine Enkel zu sehen, nehme ich an«, sagte er zynisch, nahm das von einem der Kleinen
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