Die Füchsin
Schild, der auf der einen Seite befestigt war, und einem Sandsack auf der anderen, wobei es darum ging, den Schild mit der Lanze genau in der Mitte zu treffen, ohne vom Sandsack vom Sattel gestoßen zu werden. Eine relativ neue sportliche Übung, höchstens zehn Jahre in Mode und vorwiegend als Schlachtübung verwendet. Mit ihr konnte man Auge und Arm auf koordinierte Präzision trainieren; wer die Kunst verstand, war auch auf dem Schlachtfeld im Vorteil.
Adam duckte sich hinter dem eigenen Schild und richtete die Lanze in einem Fünfundvierzig-Grad-Winkel über den Hals seines Pferdes. Dann zog er die Zügel an, und Lyards Vorderbeine tanzten links-rechts. »Ha!« rief er und setzte die Sporen ein. Lyard schoß wie ein Pfeil über den Hof, daß der Staub von seinen Hufen aufwirbelte und die Sonne auf den Trensen, dem Eisen des Geschirrs und dem Fell des Tiers schimmerte. Er bewegte sich mühelos, fraß die Entfernung, und jeder Schritt hämmerte das Wort Bruder in Adams Schädel wie die vier Nagelköpfe, die tief in das Holz des Schilds genagelt waren und seinen Mittelpunkt andeuteten, dem Ziel, dem sie sich in so flüssiger, unausweichlicher Geschwindigkeit näherten.
Die Spitze der Lanze wankte und wurde neu eingerichtet. Adam traf den Schild genau dort, wo er ihn treffen wollte, und stieß in verteidigendem Zorn einen Laut aus, der den Zuschauern wie Triumph erscheinen mochte, während er sich über den Sattelknauf beugte, das Gesicht in der fliegenden, blonden Mähne des Tiers verborgen. Der Sandsack knallte heftig gegen den Pfosten und setzte die Luft über seinem gebeugten, nackten Rücken in Bewegung.
Lyard galoppierte bis ans Ende des Innenhofs. Adam setzte sich auf und ließ ihn wenden, setzte die Sporen erneut in die Flanken des Tiers und wiederholte das Manöver, am entfernten Ende in eine Staubwolke gehüllt, raste wieder über den Hof. Die Lanze krachte gegen den Schild, und der Sandsack wurde herumgewirbelt. Adam duckte sich, zog dann an den Zügeln und beeilte sich, die Lanze in den Staub zu schleudern. Es hatte wenig Sinn, ein gutes Pferd ein drittes Mal zu schinden, nur um die Frustration und den Zorn loszuwerden. Nichts hatte irgendeinen Sinn. Er schaute auf den zitternden Holzschaft, riß die Spitze aus dem Boden und ritt dann mit Lyard hinüber zu seinen Zuschauern.
»Mein Gott!« rief Renard, die Augen groß und rund vor Bewunderung. »Auf einem Schlachtfeld möchte ich einem wie dir nicht begegnen!«
Aubrey FitzNigel beobachtete seinen Lord mit einem neugierigen Ausdruck in den Augen. Er kannte Adam, wenn er spielte, und kannte auch den wirklichen Adam. Jetzt eben waren sie alle seltene Zeugen des letzteren gewesen.
Miles hielt den Blick gesenkt und seine Gedanken bei sich, aber als Renard mit Begeisterung forderte, Adam sollte ihnen noch einmal zeigen, wie man es machte, schnitt er ihm brüsk das Wort ab, das Recht des Ältesten.
»Ist schon recht«, versuchte Adam die Schärfe zu mildern und zeigte ein mühsames Lächeln, als er von Lyards Rücken glitt. »Wir müssen ja alle einmal lernen, oder nicht?«
F ÜNFTES K APITEL
F RANKREICH I M S PÄTHERBST 1126
William le Clito, der das Herzogtum der Normandie und die englische Krone für sich beanspruchte, obwohl beide in festen Händen seines Onkels Henry waren, schubste das Mädchen ungeduldig von seinem Schoß und schaute durch den Raum auf den makellos gekleideten Mann, der auf der Sarazenen-Couch saß und Wein trank.
»Ihr habt gesagt, es ist ganz einfach«, sagte er in anklagendem Ton und hob die Stimme zu einer Singsang-Imitation. »Ein Pfeil von einem Felsen weiter oben oder ein plötzlicher Überfall im Wald, vielleicht sogar ein zweites Unglück wie das mit dem White Ship – aber sie ist immer noch sicher wie der Hof ihres Vaters in London, hat nicht den geringsten Kratzer aufzuweisen, und alle Edelleute und Bischöfe sind dabei, ihr zu huldigen.«
Warrin de Mortimer strich sich über den kurz geschnittenen, flachsblonden Bart und betrachtete den ihn anklagenden Mann ihm gegenüber mit einer Verärgerung, die sich allerdings nicht auf seinen schweren, aber angenehmen Zügen zeigte. Le Clito – der Prinz. Der Prinz von Gar Nichts. König Henry hatte seinen eigenen Bruder – Clitos Vater – nacheinander Englands, der Normandie und seiner Freiheit beraubt, und zwar in dieser Reihenfolge; aber getrieben vom Gewissen und den Protesten seines Adels hatte er den Sohn in Freiheit gelassen. Der Junge, jetzt zum Manne
Weitere Kostenlose Bücher