Die Füchsin
nach unten und starrte Heulwen ungläubig an. Gewohnt, nur von Männern Befehle zu empfangen und durch seine Stellung in der Hierarchie der Burg auch solche zu erteilen, war es seine arrogant-männliche Überzeugung, daß sich die Frauen – alle Frauen – ihren männlichen Vorgesetzten unterwerfen sollten. Daher wurde er auf unangenehme Weise überrascht durch ihren Widerspruch.
»Mylady, mit allem gebotenem Respekt, das ist eine zu ernsthafte Angelegenheit, als daß wir sie entscheiden könnten«, sagte er, gewann seine Würde zurück und zuckte unter seinem Umhang mit den Schultern wie ein Habicht, der seine zerzausten Federn ordnet.
Von einer Frau Befehle erteilt zu bekommen: einer rothaarigen Frau mit mehr als der Hälfte walisischen Blutes … Als ob sie in seinen Schädel sehen und es dort lesen könnte, hob sie das Kinn in einer Geste sturer Unnachgiebigkeit. »Im Gegenteil: Die Sache ist zu ernst, als daß wir zu ihrer Entscheidung die Rückkehr meines Gatten abwarten könnten!« entgegnete sie. »Dort unten auf der Bahre liegt mein Großvater, und er befindet sich in ihrer mörderischen Obhut. Bringt mir jetzt Rhodri ap Tewdr hierher, und zwar sofort!«
Er zögerte, bis er nicht länger warten konnte, dann neigte er den Kopf in einer steifen, förmlichen Weise und verließ den Hof. Heulwen schluckte, neigte den Kopf und lehnte ihn einen Augenblick lang gegen den kalten, glatten Stein, der ihr Schutz bot. »Heiliger Jesus, was soll ich tun?« murmelte sie in Richtung ihres eigenen Schattens. »Adam, hilf mir, was soll ich tun?«
Rhodri, die Hände hinterm Rücken gefesselt, wurde ihr vorgeführt. Er hatte die Augen weit aufgerissen, und sein Mund war eine schmale, zusammengepresste Linie. Sie richtete sich auf, ordnete ihren Umhang und schaute ihn kalt an.
»Dein Bruder ist gekommen, um dich zu holen. Ich wünschte, mein Gatte hätte dich auf dieser Straße liegen und sterben lassen.«
Er betrachtete sie mit einem abschätzenden Blick, denn er hatte von dem Überfall seines Bruders gehört und festgestellt, daß man in Thorneyford darauf reagierte wie in einem gestörten Ameisenhaufen. »Mylady, es tut mir leid, glaubt mir das«, sagte er leise auf walisisch. »Auch wenn ich wußte, daß seine Lordschaft die Absicht hatte, mich zu seinen Zwecken zu verwenden, wäre es mir lieber gewesen, unter anderen Umständen befreit zu werden.«
»Erspar mir deine Entschuldigungen«, fuhr sie ihn an. »Damit vergeudest du nur deinen Atem.« Sie wandte sich dem geduldig wartenden Soldaten zu. »Sag ihm, daß Lord de Lacey nicht hier ist und daß Prinz Davydd ap Tewdr mit seinem Weib vorlieb nehmen muß, die selbst von walisischem Blut abstammt und die Enkelin von Miles le Gallois ist.«
***
Heulwen nahm die Zügel und dankte dem Mann, der ihr in den Sattel half. Ihre Stute, die die Spannung deutlich fühlte, trat von einem Huf auf den anderen, und Heulwen mußte eine beruhigende Hand auf den schwitzenden grauhaarigen Hals legen und begütigende Worte murmeln.
»Mylady, ich behaupte dennoch, Ihr macht einen Fehler, wenn Ihr selbst hinausgeht und mit ihm verhandelt«, sagte FitzSimon neben ihr und brachte seinen eigenen, ruhelosen Hengst unter Kontrolle. »Es ist zu gefährlich. Sie könnten uns angreifen.«
»Ich bezweifle es, aber wenn sie es wirklich tun, vertraue ich Eurem Schwertarm, der uns im Notfall herausschlagen wird.« Es gelang ihr, die Stimme zugleich weich und herrisch klingen zu lassen. Sie drückte ihre Absätze in die Seiten von Gemini, und die Stute bewegte sich behutsam vorwärts.
FitzSimon, der sich unter ihrem Zorn sehr klein vorgekommen war, schaute sie jetzt von hinten an und wußte, daß er sie, wenn sie die seine gewesen wäre, verprügelt hätte, bis ihr Leib so blau gewesen war wie der Umhang, den er sich an der Brust mit einer Nadel befestigt hatte. Er setzte ihr nach und zog wütend an den Zügeln des Gefangenen. Rhodri ap Tewdr setzte seinen sandfarbenen Wallach schweigend in Bewegung, die Hände an den Sattelknauf gefesselt, die Füße ebenfalls, unter dem Bauch des Tiers, mit einem längeren Strick, und mit einer Bewachung von sechs Hauptleuten umgeben.
Als Gemini die Sicherheit des äußeren Burghofes hinter sich gelassen hatte, fühlte Heulwen eine besondere Spannung in ihr, die so stark war, daß ihr beinahe übel wurde davon. Sie schluckte heftig und hoffte, daß Äußerlichkeiten und Gefühle nicht ein und dasselbe waren. Für die Männer war das alles leichter, denn
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