Die fünf Leben der Daisy West
traurig«, sage ich, um das Thema wieder auf Audrey zu bringen.
»Ich weiß«, antwortet er sanft. »Sag mir Bescheid, wenn ich irgendetwas für dich tun kann.«
»Egal, was es ist?«
»Na ja, was in meinen Möglichkeiten steht«, erwidert Mason zögernd.
Ich schaue mich um, weil ich sichergehen will, dass ich noch immer allein in der Küche der McKeans bin.
»Du musst sie wiederbeleben«, flüstere ich. »Wenn es so weit ist, meine ich. Hol sie mit Revive zurück.«
Mason lacht ins Telefon. »Du weißt, dass ich das nicht kann, Daisy. So gern ich es tun würde, du weißt, es geht nicht.«
»Oh doch. Wenn sie stirbt, drückst du ihr eine Nadel in die Vene und sie ist wieder da«, widerspreche ich ihm und spüre erneut Tränen aufsteigen. »Genau wie bei mir.«
»Sie ist nicht wie du«, hält Mason dagegen. »Als ich erfahren habe, dass du fort bist und weshalb, habe ich Audreys Krankenakte eingesehen. Ihr Körper ist kaputt, Daisy. Irreparabel. Ich kann es nicht verantworten, jemandem eine Zwei-Millionen-Dollar-Behandlung zukommen zu lassen, bei dem sie keine Aussicht auf Erfolg hat.«
»Geht es hier ums Geld?«, fauche ich.
»Nicht nur«, antwortet Mason sachlich. Manchmal wünschte ich, er wäre nicht ganz so ehrlich mit mir. »Wenn sie noch bei guter Gesundheit wäre, sähen die Dinge ein wenig anders aus, aber so ist es leider nicht. Gemeinsam mit den hohen Kosten sind das zwei schwerwiegende Argumente, die dagegensprechen. Außerdem ist sie nicht einmal Teil des Programms!«
»Vielleicht macht Gott eine Ausnahme«, murmele ich.
»Du weißt, dass Gott keine Ausnahmen macht«, antwortet Mason ruhig. »Keiner rein, keiner raus, es sei denn ...«
Er braucht den Satz nicht zu beenden. Ich weiß, was er sagen will, und bei dem Gedanken wird mir flau im Magen. Schnell wechsle ich das Thema.
»Wann kommst du zurück?«, erkundige ich mich.
»Ist es für dich in Ordnung, wenn wir bei unserem ursprünglichen Plan bleiben?«, will Mason wissen. »Wenn wir Montagabend wieder in Omaha sind?«
»Klar«, antworte ich.
»Soll ich die McKeans fragen, ob du heute Nacht bei ihnen bleiben kannst, damit du nicht so alleine bist?«
»Das wäre toll.«
»Gut. Ich kümmere mich darum. Aber melde dich bitte morgen Nachmittag bei mir.«
»Mach ich«, verspreche ich.
»Ach, und Daisy?«
»Ja?«, frage ich superfreundlich.
»Wenn du je wieder abhaust, ohne mir Bescheid zu sagen, bekommst du für den Rest deines Lebens Hausarrest.«
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
15
Ich bin in guter Stimmung, fühle mich deshalb aber auch sofort schuldig, als Audrey um acht Uhr ins Bett geht. Sie steht so abrupt vom Sofa auf, dass ich erschrocken zusammenfahre, und verabschiedet sich umständlich von Matt und mir. Nachdem sie gegangen ist, sehen wir uns von den gegenüberliegenden Enden des Sofas fragend an.
»Wollen wir irgendwo hingehen?«, fragt Matt, als hätte er den ganzen Abend darauf gewartet. Er trägt Jeans, ich eine Yogahose.
»Jetzt noch?« Ich gebe mich skeptisch, auch wenn ich bei der Vorstellung mit Matt irgendwo – egal wo – hinzugehen, innerlich einen Luftsprung mache.
»So spät ist es doch noch nicht, du Oma.« Er sieht mich mit blitzenden Augen an, während er aufsteht. »Ich sag eben meiner Mutter Bescheid, dass wir noch ein bisschen rausgehen. Geh du dich anziehen und dann treffen wir uns gleich wieder hier. Oder willst du im Schlafanzug losmarschieren?«
»Das ist kein Schlafanzug«, verbessere ich ihn. »Das ist angesagte Wohlfühlkleidung.«
»Willst du in deiner angesagten Wohlfühlkleidung rausgehen?«
»Nicht wirklich«, pflichte ich ihm bei.
Matt macht sich auf den Weg zu seiner Mutter und ich eile ins Gästezimmer, wo ich untergebracht bin. Ich übernachte nicht in Audreys Zimmer, um sie nicht zu stören. Schnell schlüpfe ich in meine Jeans und ziehe eine leichte Strickjacke über das rote T-Shirt. Dann entscheide ich mich um und streife mir stattdessen ein violettes T-Shirt mit Rüschen über, das mir Audrey geborgt hat. Sie behauptet, es würde meine Augen schön betonen. Ich trage Lipgloss auf, löse den Zopf, ziehe die Strickjacke wieder drüber und kehre ins Wohnzimmer zurück.
»Hi«, grüßt Matt.
»Hallo«, grüße ich zurück.
»Du siehst gut aus«, sagt er und wendet sich zur Eingangstür.
»Danke«, erwidere ich leise und folge ihm hinaus in den lauen Herbstabend.
Ich steige auf der Beifahrerseite in seinen Wagen. Nach unserer
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