Die fünf Leben der Daisy West
ist mit mir?«, flachst Matt. »Bin ich etwa nicht dein Freund?«
Ich lächele, ohne ihn jedoch anzusehen. »Ach so, natürlich«, sage ich beiläufig, »dich habe ich ganz vergessen.«
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
14
Erst zwei Tage ist es her, seit ich Audrey zum letzten Mal gesehen habe, doch in dieser kurzen Zeit ist sie gealtert. Matt und seine Eltern lassen mich allein zu ihr. Als ich ihr Zimmer betrete, kämpfe ich mit den Tränen. Mit geschlossenen Augen, die Arme gerade neben dem Körper, liegt Audrey auf dem Rücken in ihrem Bett. Ihr Gesicht wirkt selbst im Vergleich zu der weißen Decke geisterhaft blass und ich bin mir nicht sicher, ob ich bleiben oder gehen soll. Während ich darüber nachdenke, was ich jetzt tun soll, überfliege ich die Notizen auf ihrer Tafelwand und entdecke einen neuen Spruch:
Sieben Mal fallen, acht Mal wieder aufstehen.
Traurig lächelnd verharre ich reglos an der Tür und sehe sie an, als sie plötzlich die Augen öffnet.
»He«, flüstere ich.
»Warum flüsterst du denn?«, fragt Audrey laut und lacht mich aus den Kissen an.
»Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe«, sage ich mit normaler Stimme.
»Hast du gar nicht«, entgegnet sie. »Ich habe überhaupt nicht geschlafen. Ich habe meditiert.«
»Aha.« Ich nicke und verlagere mein Gewicht auf den anderen Fuß. Da ich mir alles andere als sicher bin, ob sie mir nicht gerade etwas vormacht, beschließe ich, nicht länger um den heißen Brei herumzureden.
»Vielen Dank übrigens, dass du mir von deiner Krankheit erzählt hast.«
»Ups!« Audrey lacht abermals. Obwohl sie geschwächt wirkt, klingt ihr Lachen normal.
Ich trete näher und setze mich behutsam ans Fußende des Bettes. »Ups?!«
Audrey zuckt mit den Schultern. »Weil ich es dir nicht erzählt habe.«
»Schon gut«, antworte ich. »Ich kann’s verstehen. Aber keine Sorge, ich habe keine Angst vor dir.«
»Danke, Daisy«, erwidert sie leise.
»Wie fühlst du dich?«
»Ganz gut. Mir geht es wieder viel besser. Im Krankenhaus habe ich Schmerzmittel bekommen und gestern fast den ganzen Tag geschlafen. Das tat gut. Trotzdem musste ich meinen Eltern natürlich versprechen, noch einige Tage im Bett zu bleiben.«
Ich nicke und weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll.
»Ich habe deine E-Mail erst vorhin gelesen«, fährt Audrey fort. »Sorry, dass ich nicht geantwortet habe. Wie ätzend, dass deine Eltern dich nach Kansas City mitgeschleppt haben. Und natürlich war ich nicht sauer auf dich. Wie kommst du darauf?«
»Ich weiß nicht«, murmele ich. »Vermutlich weil ich dachte ...« Ich beende den Satz nicht. »Egal, jetzt bin ich ja wieder hier.«
»Und darüber bin ich echt froh«, sagt Audrey. »Apropos, hat mein Bruder dich in Kansas City abgeholt? Was läuft da?«
Ich setze mich neben sie und lehne mich mit dem Rücken an das Kopfteil.
»Oh, es gibt einiges zu erzählen.« Trotz allem merke ich auf einmal, wie sich mein Gesicht zu einem strahlenden Lächeln verzieht.
Audrey setzt sich auf und sieht mich erwartungsvoll an, nachdem auch sie eine bequemere Position gefunden hat. »Okay, schieß los.«
Als ich es nicht mehr länger aufschieben kann, wähle ich Masons Nummer. Ich bin nervös – so müssen sich normale Teenager fühlen, wenn sie mal Ärger mit ihren Eltern haben. Ich höre, wie er rangeht und bin auf das Schlimmste gefasst. Doch das Schlimmste bleibt aus.
»Geht es dir gut?«, erkundigt er sich besorgt.
Vor Überraschung fehlen mir die Worte.
»Daisy, bist du noch da?«
Ich räuspere mich. »Ja«, antworte ich leise und räuspere mich schon wieder. »Ich bin da.«
»Geht es dir gut?«, fragt Mason abermals.
»Alles okay. Ich wollte ...« Mir versagt die Stimme.
»Du wolltest zu deiner Freundin«, antwortet er für mich.
»Ja«, bestätige ich.
»Das kann ich verstehen«, sagt er und fährt dann mit leiserer Stimme fort: »Allerdings hätte ich mich gefreut, wenn du vorher mit mir darüber gesprochen hättest.«
»Ich weiß, aber du warst bei Wade, als ich davon erfahren habe, und ich hatte das Gefühl, dass ich sofort zu Audrey muss.«
»Wie bist du eigentlich nach Omaha zurückgekommen?«, wundert sich Mason.
»Mit Audreys Bruder. Matt hat mich abgeholt«, erkläre ich, was ja auch durchaus der Wahrheit entspricht, nur die Reihenfolge der Ereignisse habe ich verdreht.
»Aha«, erwidert Mason und klingt, als würde er mehr über Matt erfahren wollen.
»Es ist wirklich
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