Die fünf Leben der Daisy West
Gott-Projekt‹ zu nennen. Und den Verantwortlichen tauften sie intern Gott. Sich selbst haben sie als Jünger bezeichnet und als schließlich die menschlichen Testpersonen hinzukamen, nannten sie uns die Bekehrten. Gehalten hat sich am Ende vor allem die Bezeichnung Gott für den Chef.«
»Das ist ja vollkommen krank.«
»Wahrscheinlich«, stimme ich schulterzuckend zu. »Bist du religiös?«
»Ich glaube an eine höhere Macht, wenn du das meinst«, sagt er. »Aber religiös bin ich nicht unbedingt.«
Ich nicke, sage aber nichts. In der Religion geht es oft um das Thema Tod und was geschieht, wenn man stirbt. Deswegen hatte ich immer das Gefühl, Religion sei nicht mehr von Bedeutung für mich. Wenn ich so darüber nachdenke, sind insgesamt nicht sehr viele der wissenschaftsgläubigen Agenten religiös. Dennoch glaube ich an etwas. Also geht es Matt und mir doch irgendwie ähnlich.
»Okay, genug über Gott geredet«, beschließe ich, da ich das Gefühl habe, Matts Interesse doch noch zu verlieren. »Eigentlich bin ich mit dir hierhergekommen, um dir einige Geheimdokumente des Programms zu zeigen. Damit du dir das Ganze besser vorstellen kannst. Ehrlich gesagt habe ich befürchtet, dass du mir nicht glauben würdest, wenn ich dir keinen Beweis liefere.«
Er sieht mich überrascht an. »Das hast du gedacht?«
»Ja ... schon«, antworte ich leicht verlegen.
»Natürlich glaube ich dir«, sagt er leise, aber bestimmt, und sieht mich eindringlich an. Ich habe das Gefühl, dass zwischen unsbuchstäblich elektrische Strömungen fließen, während wir uns anschauen. Auf jeden Fall wird mir immer wärmer. Und es geht mir gleich wieder besser.
»Aber das krasse Geheimzeug will ich trotzdem noch sehen«, fordert Matt schließlich und lächelt. Kurz lächele ich zurück, dann winke ich ihn zu mir.
»Zieh deinen Stuhl hierher, damit du auf den Bildschirm sehen kannst. Was ich dir gleich zeigen werde, wird dich umhauen.«
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19
Ich wedele mit der Hand vor dem Bildschirm hin und her, um den Computer einzuschalten, und berühre dann den Monitor, damit er meine Fingerabdrücke erkennt. Es kommt die Frage nach einem Passwort und ich sage das erste dreisilbige Wort, das mir einfällt: »Xenophob.«
Matt grinst, denn natürlich hält er das Passwort für echt. In Wahrheit muss ich nur irgendein Wort sagen, das mehr als zwei Silben hat, damit die Stimmerkennungssoftware meine Identität überprüfen kann.
»Duck dich mal kurz«, fordere ich Matt auf. Er sieht mich verwundert an, bückt sich dann aber tief genug, dass das »Auge« des Computers nur mich scannt. Sobald der Rechner davon überzeugt ist, dass ich Daisy bin und nicht irgendjemand mit bösen Absichten, lässt er mich in den Ordner für das Programm F-339145.
Das Gott-Projekt.
»Dürft ihr alle an die Ordner des Programms?«, fragt Matt.
»Nein«, murmele ich und navigiere mich mit den Händen, ganz ohne Maus, durch die ersten Seiten. »Wie gesagt, ich bin ja die Einzige, die bei Agenten lebt. Besonders Mason geht ziemlich offen damit um. Er meint, ich sei selbst fast ein Agent und sollte deshalb Zugang zu den Informationen haben, wenn ich möchte. Er vertraut mir.«
»Cool.« Matt ist fasziniert.
Ich antworte nicht. Angesichts der Ironie meiner eigenen Worte muss ich schlucken.
Mit einer Handbewegung öffne ich den Ordner mit den archivierten Zeitungsausschnitten über das Busunglück in Iowa. Ich wähle den längsten und informativsten Bericht aus und rücke mit meinem Stuhl ein Stück zur Seite, damit Matt ihn lesen kann.
Ich beobachte, wie sein Blick über den Bildschirm wandert, zuerst noch mit weit aufgerissenen und leuchtenden Augen. Die Geschichte fesselt ihn. Auf einmal verzieht er das Gesicht und ich zwinge mich, wegzuschauen. Da ich nicht weiß, wo ich sonst hinsehen soll, lese ich den Bericht selbst noch einmal.
Zwanzig Kinder plus Fahrerin bei Busunglück auf Highway 13 ums Leben gekommen
Von Jolie Papadololis,
Donnerstag, 6. Dezember 2001
Die Namen der Kinder, die gestern starben, als ein Bus der renommierten Privatschule Brown Academy über die Brücke des Highway 13 fuhr und in den darunterliegenden vereisten See, den Lake Confident, stürzte, wurden von der Iowa Highway Patrol noch nicht veröffentlicht. Keiner der Fahrgäste hat das Unglück überlebt. Wie es zu dem Unfall kommen konnte, ist noch nicht geklärt. Die Fahrerin des Busses, die 22-jährige Peggy
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