Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die fünf Leben der Daisy West

Die fünf Leben der Daisy West

Titel: Die fünf Leben der Daisy West Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cat Patrick
Vom Netzwerk:
Schwester aber nicht helfen kann. Das ist überhaupt nicht in Ordnung.«
    Ich bin mir nicht sicher, was ich tun soll. Eilig wende ich mich wieder dem Bildschirm zu und beginne, die einzelnen Dateien und Ordner zu schließen.
    »Audrey darf nie davon erfahren«, sagt Matt mit tonloser Stimme.
    » Niemand darf je davon erfahren«, erwidere ich.
    »Das weiß ich«, antwortet Matt scharf. »Und du hast jetzt sowieso keine andere Wahl, als mir zu vertrauen.«
    »Ich vertraue dir ja«, sage ich sanft. »Aber ich habe noch nie jemandem davon erzählt. Ich habe mich noch nie jemandem so nahe gefühlt, dass ich überhaupt auf die Idee gekommen bin, auch nur darüber nachzudenken. Und es wäre eine Riesenkatastrophe, wenn es rauskäme. Es würde zu Unruhen kommen. Alle würden Revive haben wollen. Nur ... es könnten nicht alle davon profitieren.«
    »Wie Audrey«, sagte Matt düster. So schnell, wie sein Zorn kam, ist er auch wieder verraucht, und ich merke, dass mir sein kurzer Ausbruch fast lieber war als diese hoffnungslose Traurigkeit. Mit Ärger kann man umgehen, Traurigkeit bricht einem das Herz.
    »Wie Audrey«, wiederhole ich.
    Obwohl Audrey nie Teil des Revive-Programms sein wird, stelle ich mir vor, wie es wäre, ihren Namen auf der Liste der Testpersonen zu lesen. Die in eiliger Handschrift notierten Worte zu lesen, dass der Wiederbelebungsversuch missglückt ist. Ihr Todesdatum zu lesen, als sei es nichts.
    Ich kann das flaue Gefühl in meinem Magen nicht länger ignorieren.
    Die Exkursion in die Welt von Revive sollte eine Geste sein, ein Zeichen für Matt, um ihm zu zeigen, wie sehr ich ihm vertraue. Doch sie hat bewirkt, dass ich mein Leben in Frage stelle. Mich hat Revive zurückgeholt, aber das Programm hat auch einer Mutter ihr Kind genommen und über Revive hinaus keine anderen Maßnahmen ergriffen, um sieben Menschenleben zu retten. Wer weiß, was bei Michael Dekas oder Kelsey Stroud angeschlagen hätte? Vielleicht eine Operation und keine Spritzen.
    Und da ist noch etwas. Dass es wegen Audrey bitter für Matt sein würde, von Revive zu erfahren, damit habe ich gerechnet. Aber ich habe nicht geahnt, dass es ihretwegen auch für mich schwer sein würde. Im Moment belastet mich das am meisten.
    Revive hat mir Leben geschenkt – mein Leben – aber Audrey wird keine zweite Chance auf ein Leben bekommen. Und deshalb ist Matt zu Recht wütend.
    Genau wie ich.

Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
20
    Das Geräusch des sich öffnenden Garagentors lässt Matt und mich von den Stühlen aufspringen. Schnell schließe ich alle Dokumente auf dem Computer und logge mich aus. Dann verlassen wir hastig den Raum und flüchten uns in mein Zimmer. Gerade frage ich mich noch, ob es vielleicht noch ungünstiger ist, wenn sie mich nun allein mit Matt in meinem Zimmer ertappen und nicht beim Herumschnüffeln in geheimen Staatsdokumenten, da hören wir jemanden die Treppe hinaufkommen.
    »Setz dich in den Beanbag«, sage ich und Matt lässt sich sofort auf meinen Sitzsack fallen. Ich setze mich auf den Boden, lehne mich mit dem Rücken ans Bett und hole tief Luft. In dem Moment klopft es auch schon an der Tür.
    »Daisy?«, ruft Mason.
    »Hi Dad.« Weil ich ihn Dad und nicht Mason genannt habe, ist er vermutlich darauf vorbereitet, dass jemand bei mir ist: Als er die Tür öffnet, ist er jedenfalls ganz Vater. In der Küche werden unterdessen Schränke geöffnet und wieder geschlossen. Wahrscheinlich hat Cassie Matts Auto gesehen und kocht nun etwas.
    »Hallo Schatz«, begrüßt er mich. »Hi Matt.«
    Matt winkt ihm zu.
    »Hallo«, antworte ich. »Wir haben zusammen Englisch gelernt.«
    Alle im Raum wissen, dass das gelogen ist – nirgends sind Schulbücher zu sehen – aber immerhin ahnt Mason nicht, dass ich Matt in das Programm eingeweiht habe und ich bin fest entschlossen, daran nichts zu ändern.
    »Aha«, sagt Mason. »Ich hoffe, ihr seid gut vorangekommen, aber langsam wird es spät. Morgen ist Schule. Matt sollte sich jetzt wohl besser auf den Weg machen.«
    Ich blicke auf die Uhr und stelle fest, dass es fast neun ist. Sechs Stunden mit Matt sind vergangen wie sechs Minuten.
    Matt rappelt sich aus dem Beanbag hoch und Mason wendet sich zum Gehen.
    »Schön dich zu sehen, junger Mann«, sagt er dann noch. »Ich hoffe, deiner Schwester geht es wieder besser.«
    »Danke«, antwortet Matt, bevor Mason den Raum verlässt.
    »Tut mir leid«, flüstere ich. »So früh hätte ich nicht

Weitere Kostenlose Bücher