Die fünf Leben der Daisy West
antwortet Matt sofort und ohne zu zögern.
»Und nun?«, frage ich.
Matt denkt einen Moment nach. »Und nun gar nichts. Wenn wir zusammen sein wollen, dann ist es so, auch wenn du in Texas bist.«
»Dann sind wir jetzt also ein Paar?«, sage ich, nur um zu hören, wie es klingt.
»Ehrlich gesagt, ich habe so das Gefühl, dass wir eigentlich schon eine ganze Weile zusammen sind«, antwortet Matt. »Spätestens seit wir uns das erste Mal geküsst haben.«
Mein Magen schlägt Purzelbäume und ich lächele so breit, dass mir die Wangen schmerzen.
»Dieser Kuss fehlt mir.« Matt räuspert sich, bevor er hinzufügt: »Und all die anderen auch.«
»Mir auch.«
»Aber Matt?«
»Ja?«
»Ich bin froh, dass wir es nicht ... du weißt schon ...«
»Ja, ich weiß«, erwidert er. »Nicht dass es nicht superschön gewesen wäre«, fügt er schnell hinzu. »Aber ich bin auch froh, dass wir nicht etwas so Großes an einem so traurigen Tag getan haben. Damit hätte es immer einen ... bitteren Beigeschmack gehabt.«
Matt findet genau die richtigen Worte. Am liebsten würde ich ihn umarmen, doch leider ist das unmöglich. Stattdessen beschließe ich, ihm zu sagen, dass ich ihn liebe, weil ich plötzlich das Bedürfnis verspüre, es laut auszusprechen – damit er mich dieses Mal hört.
Und genau in dem Moment piept Matts Telefon.
»Warte mal kurz«, bittet er mich. »Ich wette, das ist meine Mutter.«
»Okay.« Er wechselt auf die andere Leitung und ich überlege, wie ich es am besten sagen soll: Matt, ich liebe dich oder Ich liebe dich, Matt . Dabei bewege ich die Füße im Takt der Musik, die aus dem Hörer an meinem Ohr dringt, während ich mich in der Warteschleife befinde. Eine Fliege summt vor dem anderen Ohr und ich verscheuche sie mit einer kurzen Handbewegung. Ich beginne sogar mitzusingen und überlege, worüber er und seine Mutter wohl gerade reden. Er spricht schon eine Weile mit ihr, doch das ist mir egal. Ich würde den ganzen Tag auf ihn warten.
Dann klingelt es auch bei mir auf der anderen Leitung und ich stelle sofort um, weil ich mir sicher bin, dass Megan anruft. Ich will ihr unbedingt berichten, wie gut sich die Dinge zwischen Matt und mir entwickelt haben und dass ich deshalb schnell wieder die Leitung wechseln muss.
»Hallo?«, sage ich fröhlich.
»Du solltest in deinem Zimmer besser Ordnung halten, Daisy.«
Das Lispeln ist unverkennbar. Ich bin so geschockt, dass ich fast das Telefon fallen lasse.
»Wer ist da?«, frage ich und versuche, mich forsch zu geben, auch wenn mich der Schrecken fast lähmt.
»Denk doch mal nach, Daisy«, antwortet die Stimme, »ich bin mir sicher, dass du es weißt.«
»Ist dort ...« Ich halte inne. »Ist dort Gott?«
» Trara ! Gewonnen!« Ein falsches, bösartiges Lachen dringt durch den Hörer. Ich hole tief Luft.
Auf einmal bin ich unglaublich dankbar für Masons Instinkt. Er hat uns aus Omaha herausgeholt und uns in Texas versteckt, fern von allen anderen, auch von Gott. Und er hat richtig gelegen: Gott scheint wirklich durchgedreht zu sein, wenn er in meinem Zimmer herumspioniert.
Ich merke, wie ich ein kleines bisschen ruhiger werde ... als er weiterspricht:
»Gerade habe ich den zu Tränen rührenden Brief deiner lieben Freundin gelesen«, sagt er. »So sentimental und doch wirklich rührend.«
Mein kleiner sicherer Hafen wird von einer Flutwelle überspült.
»Sie sind in Texas?!«, rufe ich.
»Oh nein«, antwortet Gott lachend. »Die Hitze dort tue ich mirnicht an. Aber ich habe meine Augen überall, Daisy.« Seine Stimme wird zu einem fiesen Zischen. »Ich versichere dir, es gibt nicht eine Sekunde, in der du allein bist.«
Von Panik ergriffen springe ich auf. Abermals summt mir die Fliege um den Kopf und ich verscheuche sie geistesabwesend. Als ich zum Haus schaue, erkenne ich mit Schrecken eine Silhouette in einem der Fenster. In meinem Fenster.
»Wer ist das?«, frage ich und starre in die Richtung.
»Man könnte sagen, es ist Jesus«, antwortet Gott amüsiert.
»Was geht hier vor sich?«
»Du Dummerchen, tu nicht so, ich glaube, das weißt du ganz genau«, erwidert er. »Mason ist auf dem Weg nach Washington D.C., um mein Leben zu ruinieren und das habe ich zu großen Teilen dir zu verdanken. Wir hauen ab, aber ich will noch einiges mitnehmen. Und mich natürlich revanchieren.«
Ich will gar nicht wissen, was er damit meint. Deshalb konzentriere ich mich auf etwas anderes: Mason ist nicht hier, um mich zu beschützen, aber Cassie wird
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