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Die fünf Leben der Daisy West

Die fünf Leben der Daisy West

Titel: Die fünf Leben der Daisy West Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cat Patrick
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bald vom Flughafen zurückkehren. Ich muss ihn nur hinhalten, bis sie wieder da ist.
    »Wohin werden Sie gehen?«
    »Daisy, du bist doch nicht dumm. Warum stellst du dann so blöde Fragen? Weißt du, ich könnte überall leben, jeder sein.«
    »Ich weiß, wer Sie sind«, sage ich und setze alles auf eine Karte.
    »Du lügst«, sagt Gott. »Du hast keine Ahnung, wer ich bin.«
    »Doch«, widerspreche ich. »Ich habe mit Ihnen in Omaha im Aquarium gesprochen.«
    In der Leitung herrscht so lange Schweigen, dass ich vor Angst zu zittern beginne. Er könnte Jesus anweisen, rauszukommen und mich auf der Stelle zu töten.
    »Einen Versuch war es wert«, sagt er dann.
    Ich weiß, dass er blufft. Er kann sich noch so gut verkleiden, sein Lispeln wird er nicht los. Ich kann es ganz deutlich hören, genau wie an jenem Tag. Doch ich provoziere ihn nicht weiter. EinenMoment lang sage ich gar nichts. Ich lege die Hand aufs Telefon, um paar Mal tief durchzuatmen und meinen rasenden Herzschlag ein wenig zu beruhigen. Währenddessen lasse ich das Fenster nicht aus den Augen. Dann blicke ich mich hastig auf dem weitläufigen Grundstück um und versuche mich verzweifelt daran zu erinnern, in welcher Richtung das nächste Haus steht. Schließlich mache ich einen Schritt nach rechts und überlege, ob ich rennen soll ...
    »Daisy?«, spricht mich die unheimliche Stimme erneut an.
    »Ja?«, melde ich mich heiser.
    »Jesus ist in vielen Dingen ziemlich gut«, sagt er. »Scharf schießen ist eine davon.«
    Ich erstarre. Es herrscht Stille. Ich meine, das Klappern einer Tastatur zu hören.
    »Ja, genau«, sagt er. »So ist es besser. Jetzt lässt du dich erst einmal wieder schön auf der hübschen Decke nieder. Gleich möchte ich, dass du, raus aus der Sonne, ins Haus gehst und meinen Jesus kennenlernst, aber noch nicht. Du wartest, bis ich dir Bescheid sage, hast du das gehört, Liebes?«
    »Ja.« Ich sitze in der Falle.
    »Und bleib am Telefon«, verlangt Gott. »Mir gefällt unsere nette, kleine Unterhaltung.«
    Ich lasse mich auf die Knie fallen und setze mich zurück auf die Decke. Kurz denke ich darüber nach, zu Matt hinüberzuwechseln, komme dann aber zu dem Schluss, dass er niemals so lange gewartet haben kann. Wahrscheinlich ist er längst unterwegs, um seine Mutter abzuholen.
    Die Fliege hat sich nach wie vor nicht abwimmeln lassen und fliegt immer dichter um mich herum. Als ich sie abermals verscheuche, berühre ich sie mit dem Handrücken. Sie ist zu groß, um eine Fliege zu sein.
    Wieder erstarre ich, dieses Mal aus einem anderen Grund.
    Plötzlich höre ich, was ich zuvor nicht wahrgenommen habe: das vielstimmige Summen im Hintergrund.
    Ich blicke auf und dort ist er.
    Auf einem Ast direkt über mir sehe ich ihn.
    Den Bienenstock.
    »Ich kann nicht hierbleiben.«
    »Was ist los, Liebes?«, säuselt Gott und klingt, als wäre er gerade mit etwas anderem beschäftigt.
    »Ich habe gesagt, ich kann nicht bleiben, wo ich gerade bin«, wiederhole ich. Ich habe keine Ahnung, was er mit mir vorhat, aber vielleicht ist es besser als der Tod. Und das wäre mehr, als ich von den Bienen behaupten kann.
    »Warum nicht?«, erkundigt sich Gott neugierig. »Warte mal kurz.« Ich höre das Klappern einer Tastatur, dann herrscht für einen Moment Stille. Im Fenster erscheint unterdessen abermals die Silhouette und verschwindet dann wieder. Einen Moment später wird am anderen Ende der Leitung wieder getippt, dann ist ein leises Lachen zu hören.
    »O Mann.« Gott wirkt hocherfreut. »Das ist zu gut, um wahr zu sein. Fast ein Witz, wenn man darüber nachdenkt.« Er kichert. Tatsächlich kichert er!
    »Ich gehe jetzt hier weg, okay?«, sage ich, während ich mich langsam erhebe. »Ich gehe in Richtung Haus. Sag deinem Jesus, dass er mich nicht gleich erschießen soll.«
    Er antwortet nicht, aber ich kann ihn ins Telefon atmen hören, in mein Ohr und in den Teil meines Gehirns, in dem Angst kontrolliert wird.
    »Ich habe dir gesagt, du sollst dort sitzen bleiben.« Er klingt frostig und erbarmungslos. Grausam.
    »Das geht nicht«, erwidere ich. »Und das weißt du ganz genau. Die Bienen stechen mich.«
    »Ich versichere dir, dass dir Schlimmeres widerfahren wird, wenn du dich fortbewegst«, entgegnet Gott.
    Ich beschließe, mich nicht auf weitere Diskussionen einzulassen und sage mir, dass sein Lakai mich gleich zu Beginn hätte tötenkönnen, wenn Gott gewollt hätte, dass ich so sterbe. Deshalb wage ich einen Schritt.
    Dann noch einen.
    Wieder

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