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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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„Aber trotzdem darf ich wohl einen alten Freund begrüßen.
Das ist schließlich kein Flirt. Du bist in festen Händen, ich ebenfalls …
Übrigens trage ich jetzt den Taufnamen Waterloo und mein Getrauter heißt Wellington.
Das ist gar nicht witzig“, setzte er hinzu, als Serail hemmungslos zu kichern
begann.
    „Geschlagen auf der ganzen Linie,
wie?“
    „Na ja“, schmunzelte Waterloo,
„eigentlich ist es ganz nett, eine ernsthafte Beziehung zu haben.
Gewöhnungsbedürftig, aber nett. Er hat mir einen Ehering geschenkt, der extra
von einem Designer angefertigt wurde. Keine Ahnung, wie er den bestochen hat,
so ein Einzelstück herzustellen. Ich glaube, er ist wirklich ganz verrückt nach
mir.“ Lächelnd zog er den Reif vom Finger, rieb ihn wie Aladins Lampe, und
schon schwebte geisterhaft das Holo-Bild eines Mannes in Hochzeitsfrack auf
seiner Hand. „Ich würde ihn euch gerne vorstellen. Wann findet mal wieder eine
deiner berühmten Serailpartys statt? Ihr beide habt euch in letzter Zeit ziemlich
rar gemacht.“
    „Na ja, Caravan ist noch nicht
ganz wiederhergestellt. Er hat Gedächtnislücken und äh … Schwindel-Anfälle. Wir
lassen es lieber etwas ruhiger angehen. Gemütliche Abende zu zweit, ein Essen
bei Kerzenschein, eine Stromaufführung von ‘Garten der Schwerter’.“
    „Himmel, du gehst mit ihm in
Gleitklang-Opern? Das muss wirklich Liebe sein.“
    „Ja, ist es“, sagte Serail und
wechselte fließend das Thema. „Schaut mal“, wedelte er mit der Hand, „da drüben
ist eine Begräbnisprozession. Ich biete euch hier wirklich ein erstklassiges
Programm.“ Er richtete die Rückenlehne seiner Liege auf, um besser sehen zu
können, und betrachtete die Trauernden mit dem Gesichtsausdruck eines
Varietébesuchers, der eine gute Show erwartet.
    Caravan sah der Handbewegung
folgend auf das Meer und fühlte erneut, wie die Unwirklichkeit der Schiffswelt
von ihm Besitz ergriff. Eine Prozession schwarz verhüllter Gestalten schritt
feierlich über das Wasser. Die Illusion war so perfekt, dass sich Wellenringe
bildeten, wo ihre Füße auftraten. Gerade kamen die Sargträger an Land, sie
gingen gebeugt unter der Last eines antiken Sarkophags. Hinter ihnen folgte ein
Menschenzug, dessen Ende in weiter Ferne geisterhaft aus dem Horizont
heraustrat. Eine Kette verschleierter Gestalten erstreckte sich über die Wasseroberfläche,
und Caravans Augen bestanden darauf, dass zwischen dem Anfang und dem Ende der
Prozession mehrere Kilometer lagen.
    „Die Zeremonien sind alle sehr
nett“, sagte Serail erklärend und recht herzlos zu Caravan, „aber letztlich
wird jeder von uns zur Wiederverwertung in den Recycler befördert. Aus der
Atommasse bastelt der Computer irgendwelche neu bestellten Produkte zusammen.
Eine Stehlampe oder dein Mittagessen ... Ich hoffe, das verdirbt dir nicht den
Appetit.“ Er nahm das Cocktailglas vom Beistelltisch und schlürfte genüsslich
an seinem Tequila Sunrise.
    Der Prozession folgte eine
musizierende Schar orange gekleideter Krishnas. Offensichtlich hatte der Tote
dieser Gilde angehört. Sie tanzten zum Klang von Flöten und streuten Blumen auf
das Wasser. Caravan stellte fest, dass fünfzehn begeisterte Flötenspieler
wirklich an den Nerven zerren konnten. Das Geräusch war so ohrenbetäubend, dass
es fast den Klang des ersten Schusses übertönte. –
     
    Eine unhörbare Explosion, und mit
einem Mal schien sich die Welt zeitlupenhaft zu verlangsamen. Ein roter Fleck
erschien auf dem Kleid der vordersten Tänzerin und breitete sich kreisförmig
aus. Sie schaute verständnislos auf die Wunde in ihrer Brust ... Caravan fühlte
sich einen Augenblick wie betäubt. Er sah um sich herum Körper taumeln,
Gesichter eingefroren in ungehörten Schreien. „Was – ?“, fragte er. Dann packte
ihn Serail und riss ihn von der Liege herunter.
    Hinter dem dürftigen Schutzschild
eines Café-Tischleins beobachtete er, wie ein Mann mit Badehose und
Polizeipistole in der Brandung stand und zielte. Ein Crew in Uniform brach
getroffen zusammen, weitere Schüsse fielen. Die Passagiere flüchteten panisch
vor dem Amoklauf. Die Augen des Amo suchten die Menge ab, und Caravan war
sicher, dass sie sich als nächstes auf ihn richten würden. Sein Instinkt für
schlechte Nachrichten arbeitete wieder auf Hochtouren, aber das nütze ihm im Moment
nicht viel.
    Jetzt endlich begannen schrille
Warntöne durch die umliegenden Gänge zu hallen, die Südsee-Illusion löste sich
auf und hinterließ nichts

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