Die Fünf Tore 1 - Todeskreis
dann die Turbinen eines Generators antreibt, und am Ende kommt Strom heraus. Das ist alles, was ein Atomkraftwerk macht. Es verwandelt Hitze in elektrischen Strom.«
»Und was spricht gegen Kohle?«, fragte Matt.
»Kohle, Erdgas, Öl … Das ist alles viel zu teuer. Und eines Tages werden die Vorräte erschöpft sein. Aber bei Uran ist das anders. Schon ein winziges Stück davon, ein Stück, das du in der Hand halten könntest, hat genug Kraft, um eine Million elektrischer Heizungen vierundzwanzig Stunden ohne Pause betreiben zu können.«
»Nur dass es einen umbringen würde … wenn man es in der Hand hielte«, fügte Richard hinzu.
»Ganz recht, Mr Cole. Die Strahlung wäre tatsächlich tödlich. Deswegen wird Uran grundsätzlich in schweren, mit Blei verkleideten Behältern transportiert.«
»Wie der Kasten, den ich gesehen habe!«, triumphierte Matt.
Sir Michael ignorierte ihn. »Das Herz jedes Kernkraftwerks ist der Reaktor«, fuhr er fort. »Der Reaktor ist im Grunde ein Kasten aus dickem Beton, in dem kontrollierte Explosionen stattfinden. Das Uran ist von langen Stäben, den sogenannten Brennstäben, umgeben. Wenn man die Brennstäbe hochfährt, beginnt die Explosion. Und je höher sie sind, desto kraftvoller ist die Explosion.
Der Reaktor ist der gefährlichste Teil der Anlage. Du weißt vielleicht, was in Tschernobyl passiert ist. Ein Fehler, und es kommt zu einem radioaktiven Ausschlag, der Hunderte oder sogar Tausende von Menschen das Leben kosten und ganze Landstriche auf Jahre hinaus unbewohnbar machen kann.«
War es das, was sie planten?, überlegte Matt. Waren Mrs Deverill und die anderen Dorfbewohner Terroristen? Nein. Das ergab keinen Sinn. Wenn das der Fall war, wozu brauchten sie dann ihn?
Sir Michael Marsh fuhr fort. »Als die Regierung vor fünfzig Jahren begann, sich mit Atomkraftwerken zu beschäftigen, wurden einige Versuchsreaktoren gebaut, weil man sehen wollte, wie so etwas funktioniert und ob es sicher ist. Omega Eins war die erste dieser Anlagen, und ich habe geholfen, sie zu entwerfen und zu bauen. Sie war nicht einmal achtzehn Monate in Betrieb. Und nachdem wir fertig waren, haben wir sie geschlossen und im Wald ihrem Schicksal überlassen.«
»Vielleicht will jemand den Reaktor wieder in Betrieb setzen«, beharrte Richard auf seiner Theorie.
»Das ist unmöglich – aus mehreren Gründen.« Sir Michael seufzte. »Lassen Sie uns mit dem Uran anfangen. Wie Sie sicher wissen, kann man Uran nicht einfach kaufen. Selbst Diktatoren in Ländern wie dem Irak mussten feststellen, dass sie keins bekommen konnten. Aber lassen Sie uns mal annehmen, dass diese Dörfler, von denen Sie mir erzählt haben, eine eigene Uranmine hätten. Das würde ihnen auch nichts nützen. Wie sollten sie das Uran aufbereiten? Woher sollten sie das technische Wissen und die nötigen Anlagen nehmen?«
»Aber Matt hat doch etwas gesehen …«
»Er hat einen Kasten gesehen, ja. Aber nach allem, was wir wissen, kann auch ein Picknick darin gewesen sein.« Sir Michael sah auf seine Uhr. »Ich habe Omega Eins zuletzt vor ungefähr zwanzig Jahren besucht«, sagte er. »Und es ist vollkommen ausgeräumt. Bei der Stilllegung haben wir alles ausgebaut, was eventuell gefährlich sein könnte. Es war ein ziemlicher Aufwand, das alles durch den Wald zu transportieren.«
»Warum ist es dort gebaut worden?«
Der Wissenschaftler schien die Frage nicht zu verstehen. »Wie bitte?«
»Warum haben Sie es mitten in den Wald gestellt?«
»Ach so. Nun, es musste in eine abgelegene Gegend. Und in diesem Wald gibt es einen unterirdischen Fluss. Das war der Hauptgrund für die Wahl des Standorts. Atomkraftwerke brauchen eine ständige Wasserversorgung.«
Mehr war nicht zu sagen.
»Es tut mir leid, Sir Michael«, sagte Richard beim Aufstehen. »Mir scheint, wir haben Ihre Zeit verschwendet.«
»Aber nein, nicht doch! Ich finde es sehr beunruhigend, was Sie und Ihr junger Freund mir erzählt haben. Zumindest deutet es darauf hin, dass sich jemand unbefugt auf Regierungseigentum aufhält, und ich werde das auf jeden Fall an die zuständige Behörde weiterleiten.« Er stand auf. »Ich war ja dafür, das Gebäude abzureißen, als wir die Versuche beendet hatten, aber das war zu teuer. Wie der Minister damals sagte, ist die Natur der beste Abrissexperte. Doch ich kann Ihnen versichern, dass man in dem feuchten Gemäuer nicht einmal ein anständiges Feuer entzünden könnte, geschweige denn eine Kernreaktion auslösen.«
Sir
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