Die Fünf Tore 1 - Todeskreis
… Manchmal glaube ich, dass es vorherbestimmt war. Ich bin aus einem bestimmten Grund hier, aber ich kenne ihn nicht.
In der Nacht, bevor meine Eltern starben, habe ich schlecht geträumt. Das ist oft passiert, aber diesmal war es anders. Ich sah die Brücke. Ich sah den Reifen platzen. Ich sah sogar das Wasser, das durch die Fenster strömte und das Auto überflutete. Es war, als säße ich bei ihnen im Auto, und es war grauenvoll. Ich konnte nicht atmen.« Matt verstummte. Das hatte er noch nie jemandem erzählt. »Und als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, wusste ich, dass sie nie bei dieser Hochzeitsfeier ankommen würden. Ich wusste, dass sich der Unfall genauso ereignen würde, wie er dann auch passiert ist …«
Matt zögerte. Jetzt kam der schwierige Teil.
»Mein Vater war wie du. Er glaubte nicht an solche Sachen wie Hexen oder Zauberei oder Dinge, die er nicht verstand. Ich nehme an, das lag daran, dass er Arzt war. Ich wusste, dass er sauer werden würde, wenn ich ihm von meinem Traum erzählen würde. Das war schon ein oder zwei Mal passiert … als ich noch sehr klein war. Mein Vater sagte dann, dass meine Fantasie mit mir durchgegangen wäre. Und vielleicht hatte er recht. Das habe ich mir jedenfalls eingeredet. Ich wollte mir keinen Ärger mit Dad einhandeln.
Also habe ich nichts gesagt.
Aber ich hatte Angst, zu ihnen ins Auto zu steigen. Ich habe behauptet, es ginge mir nicht gut. Ich habe ein Riesentheater gemacht, bis sie mich schließlich bei Mrs Green von nebenan gelassen haben. Ich war noch klein. Ich wusste nicht, was da vorging. Ich weiß es heute noch nicht. Aber ich weiß, dass ich anders bin. Manchmal kann ich Dinge tun, die unmöglich scheinen. Du wirst mir nicht glauben, Richard. Ich kann Glas zerbrechen, indem ich es nur ansehe. Ehrlich! Ich habe es schon getan. Ich weiß oft schon vorher, dass etwas Schlimmes passieren wird. Als ich in diesem Lagerhaus war, wusste ich, dass der Wachmann da war. Und heute Abend! Vielleicht habe ich dich wirklich gerufen, als ich in diesem Sumpf steckte – aber ohne den Mund aufzumachen. Ich weiß es nicht. Es ist wie eine Kraft, aber ich kann sie nicht kontrollieren. Sie schaltet sich von selbst an und ab.«
Matt gähnte. Er war plötzlich vollkommen erledigt. Er hatte genug.
»Ich habe es Mrs Green gesagt«, fuhr er fort. »Ich habe ihr gesagt, dass meine Eltern nicht von dieser Fahrt zurückkommen würden. Ich habe ihr von dem Reifen erzählt. Auch von der Brücke und dem Fluss. Sie wurde wütend. Sie wollte das alles nicht hören. Was hätte sie auch tun sollen? Sie konnte schließlich nicht meine Eltern anrufen und ihnen sagen, dass sie nicht fahren sollten. Sie hat mich dann zum Spielen in den Garten geschickt, weil sie nichts mehr davon hören wollte.
Ich war immer noch im Garten, als die Polizei kam. Mrs Greens Blick werde ich nie vergessen. Sie war total entsetzt. Mehr als das. Sie hat sich sogar übergeben. Und das lag nicht an dem, was meinen Eltern passiert ist. Sie war so entsetzt wegen mir.
Und das Komische daran ist, dass ich auch nicht an Hexerei geglaubt habe. Ich habe nicht an mich selbst geglaubt. Und seitdem frage ich mich jeden Tag, warum ich nicht versucht habe, meine Eltern zu retten. Warum ich geschwiegen habe. Ich habe sie einfach losfahren lassen. Jeden Tag, an dem ich aufwache, weiß ich, dass es meine Schuld ist. Ich bin schuld daran, dass sie nicht mehr da sind.«
Matt drehte sich um und rührte sich nicht mehr.
Richard betrachtete den Jungen eine lange Zeit. Dann schaltete er das Licht aus und schlich auf Zehenspitzen die Treppe hinunter.
WISSENSCHAFT UND MAGIE
Matt wachte langsam und nur widerwillig auf. Er hatte so gut geschlafen wie seit Wochen nicht mehr – und diesmal sogar, ohne zu träumen.
Er brauchte einen Moment, um die ungewohnte Umgebung in sich aufzunehmen und sich wieder daran zu erinnern, wo er war. Sein Blick wanderte über die schrägen Wände, das schmale Fenster, durch das die Sonne schien, einen Karton mit alten Taschenbüchern und einen Wecker, der auf zehn Uhr stand. Dann fielen ihm die Ereignisse der vergangenen Nacht wieder ein. Das Kraftwerk, die Hunde und wie sie ihn durch den Wald gehetzt hatten. Und dass er Richard alles erzählt hatte, sogar die Wahrheit darüber, wie seine Eltern gestorben waren. Sechs Jahre lang lebte er nun schon mit dem Gefühl seiner Schuld.
Ich hätte sie warnen können. Aber ich habe es nicht getan.
Und jetzt hatte er sich einem Reporter
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