Die fünfhundert Millionen der Begum
konnte.
In Erwartung dieses Zeitpunktes stockte nun in Stahlstadt jede Thätigkeit und die Oefen erloschen einer nach dem anderen.
Unter der Bevölkerung von zehntausend Familien, welche von dem Werke lebten, herrschte natürlich eine nicht geringe Bestürzung. Was sollten die Leute aber beginnen? Die Arbeit fortsetzen in der Hoffnung auf eine spätere Ablöhnung, die vielleicht in sechs Monaten, vielleicht auch niemals erfolgen sollte? Niemand wußte Rath. Welche Arbeiten sollten wohl ausgeführt werden? Die Quelle der gewohnten Anordnungen war mit den übrigen versiecht. Herrn Schultzes sämmtliche Clienten erwarteten, um ihre Verbindungen wieder aufzunehmen, die gesetzliche Regulirung. Die aller Befehle entbehrenden Abtheilungsvorsteher, die Ingenieure und Werkmeister konnten nichts vornehmen.
Nun gab es Versammlungen, Meetings, Verhandlungen, Vorschläge, aber es kam kein eigentlicher Plan zu Stande, weil das eben unmöglich war. Das allgemeine Feiern zog bald sein Gefolge von Elend, Verzweiflung und Verbrechen nach sich. Je nachdem sich die Werkstatt leerte, füllte sich das Wirthshaus. Für jede Esse, welche nicht mehr rauchte, sah man in der Nachbarschaft eine Schänke entstehen.
Die klügsten und vorsichtigsten Arbeiter, die, welche sich in Voraussicht schlimmerer Tage eine kleine Baarschaft zurückgelegt hatten, beeilten sich mit Waffen und Gepäck – mit dem Werkzeuge und den der Logiswirthin so an’s Herz gewachsenen Betten – zu entfliehen; bausbäckige Kinder jubelten voll Entzücken über den neuen Anblick der Welt, den sie durch die Thürfenster des Waggons genossen. Diese Leute zerstreuten sich nach allen Himmelsgegenden und hatten bald, der im Osten, jener im Süden, ein Dritter im Norden eine neue Werkstatt, einen anderen Amboß, einen neuen Herd gefunden….
Wie viele blieben aber für Einen, für Zehn, welche sich in dieser Weise helfen konnten, zurück, die das Elend an die Scholle fesselte! Da standen sie mit hohlem Auge und blutendem Herzen der bittersten Noth gegenüber!
Sie blieben, verkauften ihre wenigen Habseligkeiten an eine Horde Raubvögel in Menschengestalt, die instinktmäßig überall zusammenflattern, wo sie ein geschehenes Unglück wittern, griffen binnen wenigen Tagen schon zu den letzten Hilfsmitteln, standen bald da ohne Credit wie ohne Lohn, ohne Hoffnung wie ohne Arbeit, und sahen vor sich, dunkel wie der Winter, der nun bald beginnen sollte, nichts als eine Zukunft von Sorge und Elend!
Sechzehntes Capitel.
Zwei Franzosen gegen eine Stadt.
Als sich die Nachricht von Schultze’s Verschwinden in France-Ville verbreitete, war Marcel’s erstes Wort gewesen:
»Und wenn das nur eine Kriegslist wäre?«
Bei näherer Ueberlegung sagte er sich zwar, daß die Folgen einer derartigen Kriegslist für Stahlstadt hätten so verderblich sein müssen, daß eine gesunde Logik sie von vornherein verwerfen mußte. Dagegen erinnerte er sich auch, daß dem Haß die Ueberlegung zu mangeln pflegt und daß der tödtliche Haß eines Mannes, wie des Herrn Schultze, ihn wohl fähig machen konnte seiner Leidenschaft Alles zum Opfer zu bringen. Doch wie dem auch sein mochte, jedenfalls mußte er auf seiner Hut bleiben.
Auf seinen Antrag erließ der Vertheidigungsrath auch eine Proclamation, in welcher die Bewohner ermahnt wurden, sich durch die vom Feinde zum Zwecke ihrer Einschläferung verbreiteten falschen Nachrichten in ihrer steten Wachsamkeit nicht beirren zu lassen.
Die mit verdoppeltem Eifer betriebenen Arbeiten und Kriegsübungen zeigten, welche Antwort France-Ville auf das bereit habe, was mit aller Gewalt nur ein absichtsloses Manöver des Herrn Schultze sein sollte. Die wahren oder falschen Einzelheiten aber, welche die Journale von San-Francisco, Chicago und New-York mittheilten, die finanziellen und commerziellen Folgen der Stahlstadter Katastrophe, all’ dieses Ensemble unbegreiflicher, einzeln so unwichtiger, in ihrer Anhäufung so erdrückender Beweise ließen doch keinen Zweifel aufkommen.
Eines schönen Morgens jedoch erwachte die Stadt des Doctors wirklich und endgiltig gerettet wie ein Schläfer, der eines bösen Traumes schon durch das einfache Erwachen ledig wird. Ja! Jetzt war France-Ville wirklich und ohne Schwertstreich gänzlich außer Gefahr und verdankte diese frohe Botschaft Marcel, der dieselbe nach gewonnener eigener Ueberzeugung schnellstens durch alle ihm zu Gebote stehenden publicistischen Mittel verbreitete.
Da herrschte bald ein allgemeines Gefühl
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