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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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verschwunden.

31
Juwel
    Die Straßen vor der Dorfhalle füllten sich mit Autos. Wie am vorangegangenen Samstag. Als Ellis und die Frauen – ohne Marianne – die Stufen herunterkamen, schlossen sich ihnen weitere Leute an. Es waren ungefähr dreißig, Ellis schien in ihrer Mitte zu schweben wie ein Messias in seiner weißen Mönchskutte.
    Der kranke Mistkerl.
    Merrily wandte sich ab, sie stellte fest, dass ihre Hände zu Fäusten geballt waren. Scham. Wut. Als sie wieder hinsah, hielt jemand vor Ellis ein hölzernes weißes Kruzifix in die Höhe. Das Neonkreuz auf dem Dach der Dorfhalle wurde zum Leuchtsignal im Regen. Als wäre das hier ein Kreuzzug.
    Sie kannte niemanden in Ellis’ Gruppe, aber warum sollte sie auch? Sie nahm an, dass sowieso keine Einheimischen dabei waren. Ein paar Männer trugen Anzüge, aber die meisten waren warm und praktisch angezogen, wie die Mitglieder eines zünftigen Wandervereins. Niemand sagte etwas. Sollten sie nicht irgendwelche charismatischen Hymnen singen, sich wiegen und klatschen?
    Merrily schüttelte sich und ging zu der Ecke, an der einigeReporter unter Regenschirmen standen und Gomer im Regen auf sie wartete, eine unangezündete Zigarette im Mund.
    «Frau Pfarrer   … alles in Ordnung mit Ihnen?» Er folgte ihr hinter einen Range Rover, der unter den Tannen geparkt war, und sah sie ernst an. «Sie sehn ’n bisschen blass aus.»
    «Kein Grund zur Aufregung, Gomer.» Merrily wollte ihm Feuer geben und ließ dabei ihre eigene Zigarette zu Boden fallen.
    Gomer rückte seine Brille gerade.
    «Sorry.» Sie berührte seinen Arm. «Ich ärgere mich nur über mich selber, das ist alles.»
    «Was ist da drin passiert?»
    «Ein Exorzismus – oder so was. Ich hätte es beenden sollen. Ich   … ich habe einfach bloß dagestanden und es geschehen lassen.»
    «Hexorzismus?», sagte Gomer verblüfft. «Bei Gregs Frau?»
    «Das muss sie gewesen sein, ja.»
    «Der Mistkerl hat Gregs Frau hexorziert, weil ihr ’n Mann gefallen hat?»
    «Weil sie sich mit dunklen Mächten eingelassen hat», sagte Merrily giftig. «Weil sie zugelassen hat, dass sich die höchst unheilige und blasphemische Lust in ihr regt.»
    «Gehört verprügelt, der Kerl. Wer’n Sie’s Greg sagen?»
    «Vielleicht besser nicht.»
    «Der Junge sollte ’s wissen», sagte Gomer. «Was immer da war.» Er nickte in Richtung des Mannes, der in den Range Rover stieg. «Dr.   Coll», stellte er fest.
    Die Kameramänner gingen rückwarts die Straße entlang, vor Ellis und seinem Gefolge. Dr.   Coll fuhr mit dem Range Rover weg und gab den Blick auf Gomer und Merrily frei.
    «Ich kann einfach nicht fassen, dass ich das habe geschehen lassen», sagte sie. «Ich konnte ja nicht mal glauben, dass das wirklich
passiert
. Ich kann es Greg nicht sagen. Sie haben ja gesehen, inwelchem Zustand er ist. Er würde mit dem Baseballschläger auf Ellis losgehen. Dieser   …
Scheißkerl

     
    Ellis ging die Straße entlang, ohne nach links oder rechts zu sehen. Wenn ein Reporter versuchte, ihn anzusprechen, drängten sich seine anorakbekleideten Aufpasser näher an ihn – den heiligen Mann. Merrily und Gomer folgten der Gruppe mit einigem Abstand. Merrily dachte über das nach, was sie gesehen und gehört hatte.
    Als das Phänomen zum ersten Mal im Norden Englands auftauchte, ging es um Fälle von satanistischem Kindesmissbrauch – es hatte ein paar Anschuldigungen gegeben, aber wenige Beweise. Es war ein charismatisches Extrem, eine evangelikale Verrücktheit: Sie hegten die überspannte und primitive Überzeugung, dass dämonische Mächte durch Körperöffnungen eindrangen und nur auf diesem Weg auch wieder ausgetrieben werden konnten.
    Es war alles so schnell gegangen, klinisch, als nähme ein Arzt einen Gebärmutterhalsabstrich vor. Die Tatsache, dass es entwürdigend war, erniedrigend – und auf einen sexuellen Übergriff hinauslief   –, würde für jemanden, der daran glaubte, dass es eine legitime Waffe im Kampf gegen Satan war, keine Rolle spielen. Für jemanden, der den Erzengel Michael gegen einen erfundenen Drachen anrief.
    Wo doch in Wirklichkeit
er selbst
das Monster war.
    Er muss gestoppt werden.
    Aber wenn sie den Mund aufmachte, würde ein Dutzend ehrbarer Frauen sofort sagen, sie sei eine Lügnerin; Frauen, die das Ritual schweigend mit angesehen hatten. Und anschließend hatte es von ihnen Tränen, Umarmungen und «Gelobt sei Gott» gegeben.
    «Gomer   … die Frauen da drüben, wer sind die?»
    Gomer

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