Die fünfte Kirche
anschließend mit ihr vorhaben könnte.
«Nimmst du Ihn an?»
«Ich … ja … ja.»
An den Wänden des hohen, weißgestrichenen Raums standen dunkle Eichenstühle mit langen, spitz zulaufenden Rückenlehnen. Sie erinnerten an einen Richter und die Geschworenen.
«Widersagst du dem Bösen, das verdirbt, was Gott geschaffen hat? Und dem kranken, sündhaften und perversen Begehren, das dich von der Liebe Gottes entfernt?»
Menna begann wieder zu weinen.
«Sag es!»
Ihr Kopf fiel nach hinten. Ein Schniefen.
«Sag: ‹Ich entsage ihnen›!»
«I … Ich entsage ihnen.»
«Ich habe keine Ahnung, woher Ellis diesen Ritus hat», sagte Merrily. «Oder ob er ihn erfunden hat. Aber in dieser Gegend hier ist es ja schon lange Tradition, sich seine Religion selbst irgendwie zusammenzupfuschen, oder?»
«Ich weiß nicht, was Sie meinen», sagte Judith Prosser mürrisch.
«Wofür ist Religion schließlich gut, wenn sie keinen
praktischen
Nutzen hat? Was immer Ellis getan hat, es war böse und schädlich, und trotzdem … und trotzdem hat es irgendwie funktioniert, Judith. Auf eine abscheuliche, heimtückische Art hat es verdammt gut
funktioniert
. Und jetzt hat Weal sie.» Merrily spürte, dass sie auf einem Formaldehyd-Trip segelte und sich so weit vom Land der Normalität entfernt hatte, dass sie fürchtete, nie wieder dorthin zurückzufinden. «Hat Menna für sich. Zumindest einen Teil von ihr. Einen Teil von
etwas
. Eine halb entäußerte Wesenheit, die hinter ihm herflattert wie ein verkrüppelter Vogel. Es ist obszön.»
Es gab ein schlitterndes Geräusch. Judith streifte ihren langen, schwarzen, wattierten Mantel ab wie eine Schlangenhaut.
54
Gottloses Land
Selbst Jane bekam mit, dass die Polizei nicht so recht wusste, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Es hatte als Routineeinsatz begonnen, aber jetzt ging es plötzlich um Brandstiftung und Mord. Sie hatten in Dr. Colls Praxis ihre Einsatzzentrale aufgemacht und ermittelten in zwei Fällen, die vielleicht in keinerlei Zusammenhang standen.
Jane und Gomer hielten Abstand. Sie standen mit Sophie und Eirion am Hintereingang des Pubs. Gomer hatte eine Zigarette im Mund und sah wieder mehr aus wie er selbst. Auch Jane hatte ihre Beherrschung wiedergefunden, nachdem Sophie sie zum Feuerwehrhauptmann gebracht und der ihr bestätigt hatte, dass seine Leute inzwischen in die Halle hineingekommen waren und dort keine Leichen gefunden hatten.
Aber eine andere Leiche hatte die Polizei: eine Leiche ohne Gesicht, die aus dem Morast ausgegraben worden war. Und nachdem das Feuer unter Kontrolle war, hatte es für die Polizei oberste Priorität, mit Gomer zu sprechen. Die Beamten wollten wissen, woher er so sicher hatte wissen können, dass auf dem ehemaligen Grabungsfeld der Archäologen etwas versteckt lag, dass er mitten in der Nacht seinen Bagger dorthin gebracht hatte. Sophie versuchte ihm zu erklären, dass sie nur eine kurze Aussage wollten, um ihn als Verdächtigen auszuschließen. Aber Gomer wollte nichts davon hören. Diese Sache hing mit seinen vielen Erfahrungen in den Landwirtschaftsdiensten zusammen, und es würde zu lange dauern, das alles zu erklären. Jane verstand ihn gut. «Das ist doch bescheuert. Warum sollte Gomer sie zur Polizei geschickt haben, wenn
er
was damit zu tun hätte?»
Eirion sagte zu Gomer: «Ich glaube, was Mrs. Hill damit sagen will, ist, dass es besser ist, wenn
Sie
auf
die
zugehen, als wenn die Sie suchen müssen.»
«Eirion, was kann ich denen denn sagen, was ihnen weiterhelfen würde? Ich kann morgen immer noch mit den Mistkerlen reden.»
Jane wurde klar, dass er sich Sorgen um Mom machte. Sie sah auf die Straße hinüber, auf der sich eine düstere Versammlung um zwei Pfarrer geschart hatte – oder jedenfalls um zwei Männer mit Priesterkragen um den Hals. Einer von ihnen hob die Hände, als würde er einen großen Stein hochstemmen, um ihn jeden Moment auf irgendwas niederschmettern zu lassen. Jane wusste jetzt schon, dass aus dem Brand der Dorfhalle irgendeine Sensationsgeschichte gemacht werden würde, in der es nicht um einen gehirnamputierten Schwachkopf mit grüngefärbten Haaren und einem Benzinkanister gehen würde, sondern um eine großangelegte Satanistenverschwörung, die eine Bedrohung für alle ehrbaren Bürger war. Die Leute hatten Vater Ellis gefragt, was sie tun sollten, aber, clever,wie er war, hatte er gesagt: «Ich bin nicht euer Anführer. Hört auf eure Herzen und lasst den
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