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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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allein durch seine Körpergröße. Er macht ja sogar
mir
Angst. Aber für Sie war es natürlich kein Problem, wenn Menna ein bisschen mehr Trost brauchte.»
    Judith stemmte die Hände in die Hüften. «Jetzt
haben
Sie den Bogen überspannt.»
    «Und natürlich musste sie auch weiter die Pille nehmen, denn Kinder wären
über haupt
nicht gut gewesen. Ein Kind zu haben kann einen schrecklich schnell erwachsen werden lassen.»
    «Sie war nicht kräftig genug für Kinder», sagte Judith trotzig.
    «Hat Weal schließlich deshalb herausgefunden, was zwischen Ihnen und Menna lief? Weil
er
Kinder wollte – die die Familienkanzlei hätten übernehmen können? ‹Was sind denn das für Pillen, Menna?›» Sie hob eine Hand. «Nein, so war es wohl nicht. Aber irgendwie hat er es herausgefunden, vermute ich.»
    «Sie
vermuten
», spottete Judith, «Sie
raten
, Sie
spekulieren

    «Wollten Sie deshalb, dass ich heute Abend hierherkomme? Um festzustellen, in welche Richtung diese Spekulationen gehen? Ich glaube, Sie sind gar nicht sicher, ob Weal über Sie und Menna Bescheid weiß oder nicht. Aber selbst, wenn er es weiß – er würde nie ein Wort zu Ihnen sagen. So macht man das hier im Dorf eben nicht. Außerdem waren Sie ihm in gewisser Hinsicht auch nützlich. Es gab bestimmt Seiten an Menna, mit denen er nicht zurechtkam. Vielleicht hatte sie sich schließlich doch verändert – und war zur Frau geworden.»
    «Sie wissen ja nicht, wovon Sie da   –»
    «Aber für Sie wäre das auch nicht so gut gewesen, oder? Wenn Menna langsam ein bisschen abgeklärter geworden wäre? Wie
war
denn ihr Geisteszustand in Wahrheit? Normalerweise hätte ich das nie erfahren, aber, mein Gott» – Merrily deutete in das Grab   –, «sehen Sie sie an. Sehen Sie sich ihr Gesicht an. Jetzt kommt allesans Licht, oder? Durch dieses Gesicht. Allmächtiger, Judith, es zeigt sich ja fast auf
Ihrem
Gesicht.»
    Judith Prosser verharrte bewegungslos, sie schien kaum zu atmen. Merrily ging wieder ein paar Schritte Richtung Tür, um mehr Abstand von Judith zu haben.
    «Wissen Sie, was ich glaube? Worauf ich richtig viel Geld verwetten würde?» Merrily bemerkte, dass ihre Stimme zu hoch war, sie fürchtete sich inzwischen mehr als nur ein bisschen davor, wohin das alles unaufhaltsam führte. «Als Weal seine Frau durch Ellis exorzieren lassen hat, hatte das rein gar nichts mit ihrem Vater zu tun. Ellis schien in der Lage zu sein,
alles
zu dämonisieren und es dann zu beseitigen. Er hat dafür gesorgt, dass Ihr Sohn keine Autos mehr klaut, oder? Also dachte Weal vielleicht, dass Nicholas Ellis Menna von ihrem Dämon befreien kann   … dem Dämon, der
Sie
waren.»
    Merrily war am Ende ihrer Kräfte. Ihr war nicht klar gewesen, was sie da eigentlich gerade sagte. Aber es stimmte offensichtlich, und diese Wahrheit war gefährlich.
    Judith machte einen schnellen Schritt auf sie zu, blieb wieder stehen und sagte dann fröhlich, viel zu fröhlich: «Sie haben ja den Verstand verloren, Mrs.   Watkins. Ist Ihnen das
klar
?» Sie lachte, aber ihre Augen glitzerten vor Wut.
    «Das war allerdings erst die eine Hälfte», sagte Merrily. «Als Nächstes war die Taufe der beiden dran, vermutlich mit derselben kleinen Weihwasserschale. Etwas Mittelalterliches vollzog sich: die Verschmelzung zweier Seelen?»
     
    Merrily starrte das bittere Gesicht in dem Grab an. In der mittelalterlichen Kirche
war
die Taufe ein Exorzismus. Exorzismus-Formeln waren Teil von Hochzeiten und Kranken-Segnungen. Auch schwangere Frauen wurden exorziert. In jener Zeit wurden bei den Leuten die Dämonen ausgetrieben, als wären es Bandwürmer.
    War es so gewesen? Später Nachmittag, der Himmel blechgrau.Das Zimmer mit dem Erkerfenster ging nach Norden hinaus, vom Sonnenuntergang war also nicht viel zu sehen. Ein ungemütlicher Raum und eine ungemütliche Tageszeit. Menna stand da wie ein weißer Sklave, ihre Haut wächsern, ihre Arme wie Holzstecken. Vielleicht hatte sie einen langsam blau werdenden Fleck auf der Haut, wo Ellis sie zu fest gepackt hatte – weil er in seiner Vorstellung nicht sie, sondern
es
packte. Vielleicht hatte sie ihre Arme um sich gelegt und zitterte. Oder wirkte sie ganz unbeteiligt? Gefügig? Akzeptierte sie dieses Ritual als eine weitere Sache, die Männer gerne mit ihr machten?
    «Nimmst du Gott an?» Ellis’ Anpassung des Ritus.
    J.   W.   Weal, der danebensteht, so groß wie Gott.
    Menna zögerte, hatte vielleicht ein bisschen Angst davor, was Gott

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