Die fünfte Kirche
Kopfschmuck. Und, in dem Kopfschmuck, ein Ring winziger Flammen, ein heiliger Kreis aus Kerzenspeeren, eine Lichterkrone.
Er kam viel glücklicher in das Bauernhaus von St. Michael zurück, als er es verlassen hatte.
«Setz dich, Babe», sagte er zu Betty. «Das musst du hören.»
«Muss ich das?» Aber sie setzte sich.
Robins Stimmung stürzte ab wie ein erkaltender Meteorit.
Ihre Stimme war ausdruckslos. Es war nach zehn Uhr morgens, und sie war immer noch im Bademantel. Sie war blass, hatte geschwollene Augen und saß mit einem Glas heißem Wasser am Küchentisch.
«Alles o. k.?»
Auch ihre Haare wirkten zusammengefallen, wie schlaffes Stroh. Als er gegen sieben aus dem Bett gekrochen war, hatte sie noch geschlafen. Er hatte sich Kaffee und einen Toast gemacht, ohne besonders leise zu sein, und hatte ihr eine Nachricht auf dem Tisch hinterlassen, bevor er zum Prosser-Hof hinübergegangen war. Da hatte er schon befürchtet, dass es einer dieser Tage werden würde, einer dieser Tage, von denen er gehofft hatte, es würdesie nicht mehr geben, wenn sie erst mal aufs Land gezogen wären. In Wahrheit aber hatte sich seitdem einer von diesen Tagen an den nächsten gereiht, so sicher wie der Sonnenaufgang. So langsam schien es, als könnten sie beide nie wieder gleichzeitig gutgelaunt sein. Als würde die Sonne immer nur für einen von ihnen beiden scheinen.
War das eine übersinnliche Störung? Konnte man das ändern?
«Bets?» Er wollte sie unbedingt trösten, wusste aber nicht, wie. Es hatte bei ihr immer Bereiche gegeben, an die er nicht herankam; das hatte er akzeptiert. Er hatte auch akzeptiert, dass er in mancher Hinsicht nicht mehr sein konnte als ihr Begleiter. Das war ja nicht
unbedingt
traurig, oder?
«Tut mir leid. Mondzeit.» Sie schenkte ihm das schwächste Lächeln, das er je an ihr gesehen hatte. «Erzähl mir, was du auf dem Prosser-Hof erfahren hast.»
Ganz offensichtlich wollte sie nicht über ihr Problem reden, was auch immer es war. Er setzte sich ihr gegenüber und erzählte mit einer Stimme, aus der jede Begeisterung verschwunden war, was er über Pfarrer Penney gehört hatte.
Es lag sicher an seinem Stimmungswechsel, aber jetzt sah er nicht mehr nur das Bizarre, jetzt sah er auch das Traurige an dieser Geschichte.
«Es ist früh am Morgen, noch nicht ganz hell, unten am Wasser ist es neblig, also kann es nicht jeder sehen. Nur die Prossers, das heißt die beiden Brüder, die hier gelebt haben, deren älterer Bruder – Gareths Vater – und dessen Frau. Und Gareth selbst, der damals Anfang zwanzig gewesen sein muss. Und auch diese Mrs. Pottinger war ganz früh da, in ihrer Rolle als Auge und Ohr von Old Hindwell für den
Brecon and Radnor Express
. Weil sie ein … wie heißt dieses Ding, auf das man sich kniet, um zu beten?»
«Kniekissen, glaube ich», sagte Betty.
«Ja. Pottinger war früh mit dem Hund draußen und sah ein Kniekissen den Fluss runtertreiben. Vielleicht hat sie zuerst gedacht, die Vandalen hätten wieder zugeschlagen, von denen sie Major Wilshire geschrieben hat. Sie wollte wohl die Bullen rufen, aber dann hat sie die Prossers getroffen, und die haben sie davon abgehalten. Wollten die Sache als innere Angelegenheit von Old Hindwell behandeln.»
«Ja», sagte Betty, als wüsste sie Bescheid.
«Also, der Fluss führte ziemlich viel Wasser nach dem ganzen Regen, er trat weit über die Ufer. Zuerst haben sie geglaubt, das wäre alles, der Fluss hätte die Felder bei der Scheune überschwemmt und wäre bis zur Kirche angestiegen. Dann haben sie im Fluss so eine Art Damm gesehen, als wäre ein Baum oder so reingefallen, aber als es heller wurde, konnten sie erkennen, was dort wirklich passierte.»
Während Robin erzählte, sah er alles ganz deutlich vor sich, hörte die Stimmen und das tosende Wasser. Die Schreie der aufgeregten Frauen, das wilde Bellen von Pottingers Hund. Judith Prosser war natürlich nicht dabei gewesen; Gareth und sie hatten erst fünfzehn Jahre später geheiratet, aber sie musste die Geschichte seitdem viele Male gehört haben.
«Alles!», sagte Robin. «Alles, was nicht niet- und nagelfest war. Die Bänke, das Pult, ein großer Wandteppich, das Chorgestühl … alles trieb den Hindwell hinunter. Bis die ersten Sachen die Kurve erreichten und sich in irgendwelchen Ästen verfingen, sodass sich alles staute.»
Er sah den großen Damm vor sich, ächzendes, splitterndes Holz, wie beim Wrack eines auf die Felsen gelaufenen
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