Die fünfte Kirche

Typ.
    Kein
Einheimischer. Das hörte sogar Robin, das war der Akzent der Londoner Mittelklasse.
    Sie waren zu zweit, und einer trug einen großen metallbeschlagenen Koffer. Als Robin den Koffer sah, dachte er bitter: Was soll’s, noch ein Einheimischer, der uns ein Kästchen bringt mit einerweiteren Zauberformel, die uns vor uns selbst schützen soll und uns das idyllische Leben hier zur Hölle macht.
    «Mr.   Thorogood, ich bin Richard Prentice. Und das ist Stuart Joyce.»
    Robin schaltete das Licht über dem Eingang ein. Ein übergewichtiger Typ mit Bart und ein dünnerer, jüngerer Typ mit Lederjacke. Wahrscheinlich irgendwelche Vertreter, die einem maximale Renditen versprachen, wenn man seine Ersparnisse in irgendein Vivisektionslabor investierte.
    «Wir arbeiten beide für die
Daily Mail
», sagte Prentice. «Wenn Sie nichts dagegen haben, würden wir gern kurz mit Ihnen reden – über Ihre Religion.»
    «Über meine   –» Robin sah zu dem Koffer. Klar, eine Fotoausrüstung.
    «Ich habe gehört, dass Sie und Ihre Frau praktizierende Hexen sind.»
    Robin war ganz ruhig. «Wo haben Sie das denn gehört?»
    Ganz ruhig. Es läuft keine Kamera.
    Prentice lächelte. «Sie haben nicht zufällig die Sendung
Livenight
gesehen?»
    «Wir haben keinen Fernseher.»
    «Oh.» Der Mann lächelte. «Das erklärt natürlich einiges. Also, Mr.   Thorogood, in der Sendung war von Ihnen und Ihrer Frau die Rede.»
    «Was?»
    «Nicht namentlich – es ging um Ihre Situation. Offenbar haben sich die Medien bisher noch nicht an Sie gewandt – das ist gut für Sie und für uns, denn   –»
    «Moment mal», sagte Robin. «Wenn wir, wie Sie sagen, Hexen
sind
– was ich in diesen aufgeklärten Zeiten kaum bestreiten werde   –, warum interessiert Sie das? Es gibt Tausende von uns. Wir sind derzeit die am schnellsten wachsende Glaubensgemeinschaft imLand. Was ich damit sagen will: Warum sind ausgerechnet wir dann für eine Zeitung wie Ihre interessant?»
    «Robin, ehrlich gesagt geht es vor allem um die Kirche. Wie viele Hexen haben denn wirklich eine Kirche übernommen und ihre Rituale dort praktiziert?»
    «Richard», sagte Robin, «darf ich die Frage zurückgeben? Wie viele christliche Kirchengemeinden haben heidnische Stätten übernommen, um dort
ihre
Rituale zu praktizieren?»
    Richard Prentice grinste. «Das ist eine extrem gute Frage, mein Lieber. Und wir würden Ihnen gern die Möglichkeit geben, das näher zu erläutern.»
    «Das werde ich wohl kaum tun, Richard.»
    «Können wir vielleicht kurz reinkommen? Hier draußen erfriert man ja.»
    «Ich werde mich bestimmt nicht dazu äußern, Richard, wirklich. Zum einen ist meine Frau   –»
    «Wissen Sie», sagte Prentice, «Sie sind in dieser Sendung mehr oder weniger geoutet worden – wenn ich diesen Begriff mal benutzen darf. Das haben Millionen gesehen. In den nächsten Tagen werden sich massenhaft Journalisten an Sie wenden. Boulevardreporter.»
    «Das sind Sie doch auch.»
    «Wir ziehen es vor, unser Blatt als Kompaktzeitung zu bezeichnen.»
    «Ich lach mich tot.»
    «Robin   … was wir wollen, ist ein seriöses Feature, das genau erklärt, was Sie mit dieser Kirche vorhaben und warum Sie nicht glauben, dass das eine Bedrohung für die Gemeinde ist. Das Ganze soll am Montag erscheinen, wir haben also einen ganzen Tag, um alles genau zu recherchieren.»
    «Sagt denn irgendjemand, dass wir eine Bedrohung für die Gemeinde sind?»
    «Sie wissen doch, wie die Einheimischen sind, Robin.»
    «Raus», sagte Robin.
    «Bitte?»
    «Raus hier.»
    «Robin, wir können Sie davor schützen, dass hier Leute eindringen, die weniger verantwortungsbewusst   –»
    «Raus hier. Oder ich mach Hackfleisch aus euch.»
    «Seien Sie doch vernünftig. Sie haben sicher keine leichte Zeit hinter sich, ich kann verstehen, dass Sie aufgebracht sind. Wir bleiben heute Abend in der Nähe und kommen morgen früh wieder, o.   k.?»
    Robin machte ein paar Schritte auf die beiden zu, er hörte den Fluss in der Ferne rauschen.
    «O.   k.», sagte Prentice, «es ist Ihre Entscheidung.»
    Wenn sie in diesem Moment einfach gegangen wären, wäre alles nicht so schwierig geworden.
    Unglücklicherweise jedoch flammte ein Blitzlicht auf, und Robin stand geblendet im Eingang, der jüngere Typ hatte den Fotoapparat rausgeholt.
    Das Rauschen des Flusses schien Robins Kopf zu erfüllen.
Kaltes weißes Rauschen.
Irgendwo im Äther hörte er Kirk Blackmore über seine Kunstwerke lachen.

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Der