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Die Fünfundvierzig

Titel: Die Fünfundvierzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas d. Ä.
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Eurem Rang und Eurem Namen nach um nichts zu beneiden habt?«
    Die Augen der Dame gaben einen düstern Schimmer von sich. »Ja, Remy, ich zähle darauf, da ich lebe; doch wartet ...«
    Sie horchte.
    »Ist es nicht der Trab eines Pferdes, was ich höre?« – »Es scheint mir.«
    »Sollte es unser Führer sein?« – »Es ist möglich; doch in diesem Fall käme er beinahe eine Stunde früher, als verabredet ist.«
    »Man hält vor der Tür, Remy.« – »In der Tat.«
    Remy ging rasch hinab und kam unten an die Treppe in dem Augenblick, als sich drei hastige Schläge hörbar machten.
    »Wer ist da?« – »Ich,« antwortete eine schwache, gebrochene Stimme; »ich, Grandchamp, der Kammerdiener des Barons.«
    »Ah! mein Gott! Ihr, Grandchamp, in Paris; wartet, ich will Euch öffnen; doch sprecht leise!«
    Und er öffnete die Tür.
    »Woher kommt Ihr denn?« fragte Remy mit leiser Stimme. – »Von Meridor. Ach!«
    »Tretet rasch ein! Oh! mein Gott!«
    »Nun, Remy?« rief die Stimme der Dame oben von der Treppe herab; »sind es unsere Pferde?« – »Nein, nein, gnädige Frau, sie sind es nicht.«
    »Remy, Remy,« rief die Stimme, »Ihr sprecht mit jemand, wie mir scheint.« – »Ja, gnädige Frau, ja.«
    Da erschien auch schon die Dame am Ende des Ganges.
    »Wer ist da?« fragte sie, »es scheint fast, als wäre es Grandchamp.«»Ja, gnädige Frau, ich bin es,« erwiderte ehrfurchtsvoll und traurig der Greis, indem er sein weißes Haupt entblößte.
    »Grandchamp, du, oh! mein Gott! meine Ahnungen haben mich nicht getäuscht, mein Vater ist tot.« – »In der Tat, gnädige Frau, Meridor hat keinen Herrn mehr.«
    Bleich, in Eis verwandelt, aber unbeweglich und fest, ertrug die Dame den Schlag, ohne sich zu beugen. Als Remy sie so ergeben und so düster sah, ging er auf sie zu und nahm sacht ihre Hand.
    »Wie ist er gestorben?« fragte die Name; »sprecht, mein Freund!« – »Gnädige Frau, der Herr Baron, der seinen Lehnstuhl nicht mehr verließ, ist vor acht Tagen von einem dritten Schlage getroffen worden. Er konnte ein letztes Mal Euren Namen stammeln, dann hörte er auf zu sprechen und starb in der Nacht.«
    Die Name machte dem alten Diener eine Gebärde des Dankes und ging dann, ohne ein einziges Wort zu äußern, wieder in ihr Zimmer hinauf.
    »Endlich ist sie frei,« murmelte Remy, der bleicher und düsterer war als sie; »kommt, Grandchamp, kommt!«
    Das Zimmer der Dame lag im ersten Stock, hinter einem Kabinett, das die Aussicht auf die Straße hatte, wahrend dieses Zimmer selbst sein Licht nur von einem kleinen Fenster erhielt, das nach einem Hofe ging. Die Ausstattung dieses Zimmers war düster, aber reich; Tapeten aus den Webereien von Arras stellten die verschiedenen Augenblicke der Leidensgeschichte dar. Ein Betpult von geschnitztem Eichenholz, ein Lehnstuhl von demselben Stoff und derselben Arbeit, ein Bett mit gewundenen Säulen und Vorhängen, den Tapeten der Wände ähnlich, ein Teppich von Brügge, dies war die ganze Ausschmückung des Zimmers.
    Keine Blume, kein Juwel, keine Vergoldung; Holz und poliertes Eisen ersetzten überall das Silber und Gold; ein Rahmen von schwarzem Holz umschloß das Porträt einesMannes, worauf das Licht des Fensters fiel, das man offenbar zur Beleuchtung ausgebrochen hatte.
    Vor diesem Porträt kniete die Dame mit wundem Herzen, aber trockenen Augen nieder.
    Sie heftete auf dieses leblose Antlitz einen langen, unbeschreiblichen Liebesblick, als ob das edle Bild sich beleben sollte, um ihr zu antworten.
    Die Dame streckte den Arm nach dem Bilde aus und sprach zu ihm wie zu Gott: »Ich hatte dich gebeten zu warten, obgleich deine gereizte Seele nach Rache dürsten mußte,« sagte sie; »und da die Toten alles sehen, mein Geliebter, so hast du gesehen, daß ich das Leben nur ertrug, um nicht eine Vatermörderin zu werden; als du tot warst, hätte ich sterben müssen, doch indem ich starb, tötete ich meinen Vater.
    »Und dann hatte ich, wie du weißt, auf deinen blutigen Leichnam ein Gelübde getan, ich hatte geschworen, den Tod durch Tod, das Blut durch Blut zu sühnen; doch dann lud ich ein Verbrechen auf das weiße Haupt des ehrwürdigen Greises, der mich sein unschuldiges Kind nannte.
    »Du hast gewartet, ich danke dir, mein Vielgeliebter, du hast gewartet, und nun bin ich frei, das letzte Band, das mich an die Erde fesselte, ist durch den Herrn zerrissen worden, – Dank sei dem Herrn ... Ich gehöre dir; kein Schleier, kein Verstecken mehr, ich kann am hellen Tage

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