Die Fünfundvierzig
so würde ich sie ihnen abgekauft haben.«
»Aber Mecheln, Lier, Düffel?« – »Ich bin durch Mecheln und Lier gekommen und habe einen sichern Agenten nach Düffel geschickt. Um elf Uhr sind die Franzosen geschlagen, um Mitternacht ist die Flotte verbrannt, um ein Uhr sind die Franzosen in vollem Rückzug begriffen, um zwei Uhr durchbricht Mecheln seine Dämme, öffnet Lier seine Schleusen, schleudert Düffel seine Kanäle aus ihrem Bett; dann wird die Ebene ein wütender Ozean werden, der Häuser, Felder, Waldungen, Dörfer ersäuft, zugleich aber auch, ich wiederhole es, die Franzosen ersäufen wird, und zwar so, daß nicht einer von ihnen nach Frankreich zurückkehrt.«
Diese Worte wurden mit Bewunderung, beinahe mit Schrecken aufgenommen; dann brachen die Flamländer in einen Beifallssturm aus.
Der Prinz von Oranien machte zwei Schritte gegen den Unbekannten, reichte ihm die Hand und sagte: »So ist also alles von uns aus bereit, Monseigneur?« – »Alles. Und seht, auf seiten der Franzosen ist, glaube ich, auch alles bereit.«
Dabei deutete der Unbekannte mit dem Finger auf einen Offizier, der eben den Türvorhang aufhob.
»Eure Hoheiten und meine Herren,« sagte der Offizier, »man meldet uns soeben, daß die Franzosen auf dem Marsch sind und gegen die Stadt vorrücken.«
»Zu den Waffen!« rief der Bürgermeister.
»Zu den Waffen!« wiederholten die Anwesenden.
»Wartet einen Augenblick, meine Herren,« unterbrach sie der Unbekannte mit seiner männlichen und gebieterischen Stimme; »Ihr vergeßt, mich euch eine letzte Ermahnung geben zu lassen, die noch wichtiger ist, als alle anderen.«
»Tut das! Tut das!« riefen alle Stimmen.
»Die Franzosen sollen überfallen werden, es wird also kein Kampf, es wird ein Rückzug, eine Flucht werden; um sie zu verfolgen, müßt ihr leicht sein. Die Panzer herab, alle Wetter! Eure Panzer sind es, in denen ihr euch nicht rühren könnt, durch die ihr alle Schlachten, in denen ihr unterlegen seid, verloren habt. Eure Panzer herab, meine Herren!«
Und der Unbekannte zeigte seine breite Brust, die nur durch ein Koller von Büffelleder beschützt war.
»Wir werden uns bei den Streichen wiedersehen, meine Herren Kapitäne,« fuhr der Unbekannte fort; »mittlerweile begebt euch auf den Rathausplatz, wo ihr alle eure Leute aufgestellt findet. Wir folgen euch dahin.«
»Ich danke Euch, Monseigneur,« sagte der Prinz zu dem Unbekannten, »Ihr habt zugleich Belgien und Holland gerettet.«
»Prinz, Ihr seid zu gütig,« erwiderte dieser.
»Wird sich Eure Hoheit herbeilassen, das Schwert gegen die Franzosen zu ziehen?« fragte der Prinz.
»Ich werde es so einrichten, daß ich den Hugenotten gegenüber kämpfe,« erwiderte der Unbekannte, indem er sich mit einem Lächeln verbeugte, um das ihn sein düsterer Gefährte beneidet hätte, und das Gott allein verstand.
Franzosen und Flamländer.
Im Augenblick, als der ganze Rat das Stadthaus verließ, und die Offiziere sich an die Spitze ihrer Mannschaft stellten, um die Befehle des unbekannten Führers zu vollziehen, der von der Vorsehung selbst den Flamländern zugeschickt zu sein schien, erscholl in weitem Kreise ein Geräusch, das die ganze Stadt einzuschließen schien und in einem einzigen gewaltigen Schrei zusammenklang.
Zugleich begann aber die Artillerie zu donnern, die die Franzosen mitten auf ihrem nächtlichen Marsch und während sie selbst zu überrumpeln glaubten, überfiel. Doch statt ihren Marsch zu unterbrechen, beschleunigte sie ihn nur.
Konnte man die Stadt nicht durch Überrumplung und mit Sturmleitern nehmen, so konnte man doch, wie wir es den König von Navarra in Lahors machen sahen, den Graben mit Faschinen füllen und die Tore durch Petarden sprengen.
Die Kanonen auf den Wällen setzten ihr Feuer ununterbrochen fort, doch in der Nacht war ihre Wirkung fast gleich Null. Nachdem sie das Geschrei ihrer Gegner erwidert hatten, rückten die Franzosen in der Stille mit der ihnen beim Angriff eigenen Unerschrockenheit vor.
Doch plötzlich öffneten sich die Tore und Schlupfpforten, und von allen Seiten stürzten Bewaffnete hervor; es waren die Flamländer, die in geschlossenen Bataillonen, in gedrängten Gruppen vorrückten, über denen eine mehr geräuschvolle als furchtbare Artillerie fortwährend donnerte.
Nun entspinnt sich der Kampf Fuß an Fuß, Schwert und Messer schlagen aneinander, Pike und Degenklinge streifen sich, Pistolenschuß und Büchsenfeuer erleuchten die von Blut geröteten
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