Die Fünfundvierzig
nun der König zu seinem Gefährten, den er immer noch in seinem Lehnstuhle glaubte, »du siehst wohl, Herr von Guise ist rein von jeder Machenschaft. Dieser brave Herzog, er hat die Sache von Navarra erfahren; er befürchtet, die Hugenotten könnten keck werden und das Haupt erheben, denn es ist ihm zu Ohren gekommen, die Deutschen wollten schon dem König von Navarra Verstärkung schicken. Was tut er nun? Errate, was er tut!«
Chicot antwortete nicht; Heinrich glaubte, er erwarte seine Erklärung, und fuhr fort: »Er bietet mir die Armee an, die er in Lothringen angeworben hat, und meldet mir, in sechs Wochen werde diese Armee mit ihrem General ganz und gar zu meiner Verfügung stehen. Was sagst du dazu, Chirot?«
Völliges Stillschweigen von selten des Gaskogners.
»In der Tat, mein lieber Chicot,« sagte der König, »du hast das Alberne, daß du halsstarrig bist wie ein spanisches Maultier, und daß du, wenn man das Unglück hat, dich von einem Irrtum zu überzeugen, was häufig vorkommt, schmollst, ah! ja, du schmollst wie ein Dummkopf.«
Nicht ein Hauch widersprach Heinrich in seiner Meinung, die er so offenherzig über seinen Freund geäußert hatte.Es gab etwas, was Heinrich noch mehr mißfiel als der Widerspruch, dies war das Schweigen.
»Ich glaube, dieser Bursche hat die Frechheit gehabt, einzuschlafen,« sagte er. »Chicot,« fuhr er fort, indem er auf den Lehnstuhl zuschritt, »dein König spricht mit dir, willst du antworten?«
Doch Chicot konnte nicht antworten, denn er war gar nicht da. Heinrich fand den Stuhl leer. Seine Augen durchliefen das ganze Zimmer; der Gaskogner war ebensowenig im Zimmer wie im Stuhl.
Der König wurde von einem abergläubischen Schauer ergriffen; es kam ihm zuweilen der Gedanke, Chicot sei ein übermenschliches Wesen, eine teuflische Verkörperung, allerdings guter Art, aber dennoch teuflisch.
Er rief Nambu. Dieser versicherte Seiner Majestät auf das bestimmteste, er habe Chicot fünf Minuten vor der Entfernung des Gesandten hinausgehen sehen. Nur sei er mit der Vorsicht eines Menschen hinausgegangen, der nicht wolle, daß man ihn weggehen sehe.
»Offenbar,« sagte Heinrich, während er in sein Betzimmer ging, »offenbar ärgerte sich Chicot, weil er unrecht hatte. Mein Gott! wie erbärmlich sind doch die Menschen! Ich sage das in Beziehung auf alle, selbst auf die geistreichsten.«
Nambu hatte recht; seine Sturmhaube auf dem Kopf und sein langes Schwert an der Seite, durchschritt Chicot geräuschlos die Vorzimmer; aber so vorsichtig er auch war, mußte er doch die Sporen auf den Stufen klirren lassen, die von den Gemächern nach der Pforte des Louvre führten, und dieses Geräusch veranlaßte viele Leute, sich umzudrehen, und trug Chicot viele Verbeugungen ein, denn man kannte Chicots Stellung beim König, und viele verbeugten sich tiefer vor ihm, als sie es vor dem Herzog von Anjou getan hätten.
In einer Ecke der Pforte blieb Chicot stehen, als wollte er einen Sporn befestigen.
Der Kapitän des Herrn von Guise ging, wie gesagt,kaum fünf Minuten nach Chicot weg, dem er keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Er stieg die Stufen hinab und durchschritt die Höfe. In dem Augenblick, wo er aus der Pforte des Louvre trat und über die Zugbrücke schritt, wurde er durch ein Klirren von Sporen erweckt, die das Echo der seinigen zu sein schienen.
Er wandte sich um, weil er dachte, der König schicke ihm jemand nach, und war nicht wenig erstaunt, als er unter der Sturmhaube das leutselige Gesicht und die gleisnerisch freundliche Miene des Bürgers Robert Briquet erkannte.
»Ah! mein Gott!« sagte Borromée. – »Alle Wetter!« rief Chicot.
»Mein lieber Bürgersmann!« – »Mein ehrwürdiger Vater!«
»Mit dieser Sturmhaube!« – »Unter diesem Koller!«
»Es ist mir sehr lieb, daß ich Euch sehe.« – »Es gereicht mir zur Zufriedenheit, daß ich Euch treffe.«
Und die beiden Eisenfresser schauten sich ein paar Sekunden mit dem Zögern zweier Hähne an, die kämpfen wollen und, um einander einzuschüchtern, sich auf ihren Sporen erheben.
Borromée ging zuerst vom Ernsten zum Sanften über. Die Muskeln seines Gesichts spannten sich ab, und er sagte mit einer Miene kriegerischer Offenherzigkeit und liebenswürdiger Freundlichkeit: »Gottes Leben! Ihr seid ein schlauer Gevatter, Meister Robert Briquet.«
»Ich, mein Ehrwürdiger?« erwiderte Chicot, »ich bitte, aus welcher Veranlassung sagt Ihr mir das?« – »Aus Anlaß des im Kloster der Jakobiner
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