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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Blinde nahm seine Hände wieder von den Tasten des Flügels und sah nach der Richtung, aus der er die Stimme Bertelmanns gehört hatte. Er sprach leise, aber bestimmt. Dabei wählte er wohl weniger drastische Worte als der Leiter der Musikhochschule. Aber im Grunde sagte er dasselbe. Anschließend versuchte er dann, sein ziemlich ablehnendes Urteil wieder zu
    mildem: „---Vielleicht bist du aber in deiner Art so weit
    von mir, so weit von uns allen entfernt, daß wir dich nicht verstehen. Es ist möglich, daß es daran liegt —“ Eine Weile war es still in dem kleinen, niederen Zimmer. Nur das Ticken einer Uhr war zu hören.
    Der Blinde bedauerte nun doch, so offen seine Meinung gesagt zu haben. „Bestimmt bist du mir jetzt sehr böse. Aber bitte, nimm mich nicht allzu ernst. Urteile sind immer etwas Persönliches. Und da ich selbst komponiere, bin ich viel zu befangen
    Da nahm Peter von Bertelmann einen der hohen Plüschstühle, rückte ihn näher zu dem Blinden heran und setzte sich dicht zu ihm. „Ich bin gar nicht enttäuscht. Ich habe das erwartet, weil ich weiß, daß das, was du gesagt hast, auch stimmt. Dessentwegen bin ich heute hier---“
    Er versuchte, einen möglichst vertraulichen und herzlichen Ton anzuschlagen. Er legte dem Blinden jetzt sogar eine Hand auf die Schulter. „Du weißt, wie sehr ich deine Fähigkeiten schätze. Ich brauche dir nicht zu sagen, daß du sehr begabt bist und daß du sehr viel kannst. Das hat dir Professor Beckmann vermutlich längst vor mir gesagt. Und da ist mein Urteil dann unwichtig. Aber Professor Beckmann ist nur Musiker. Er lebt in seiner Hochschule abgeschlossen wie auf einer Wolke---Aber ich, alter Junge, ich will ja leben. Und
    du willst vermutlich auch leben. Du hast zudem einen Jungen, der etwas von dir erwartet. Du gehörst nicht hierher in diese Dachwohnung und in dieses Hungerviertel.“
    Vater Verhoven fühlte plötzlich, wie eine gewisse Nervosität über ihn kam. Er griff wieder nach seiner Brille.
    Peter von Bertelmann behielt den Blinden im Auge. „Der Vorschlag, den ich dir zu machen habe, hängt davon ab, inwieweit es dir möglich ist, wieder zu arbeiten, wieder zu komponieren Peter von Bertelmann hatte seinen Satz wie eine Frage ausklingen lassen, und der Blinde hatte ihn auch so verstanden.
    „Ich glaube, daß es wieder geht. Ich habe mir ein eigenes System entwickelt. Hier mit diesen fünf feinen Metalldrähten lege ich mir Notenlinien über das Papier, die ich mit meinen Fingern fühlen und also auch beschreiben kann---“ Vater Verhoven zeigte auf die fast zeichenbrettartige Vorrichtung, die ihm Klaus zusammengebastelt hatte: mein Junge überträgt die Noten dann sozusagen in die Reinschrift. Zudem habe ich noch Arbeiten von früher, die ich eigentlich bis heute aufbewahrt und noch nicht an die Öffentlichkeit gegeben habe. Außer Klaus kennt sie höchstens Professor Beckmann, dem ich sie gelegentlich vorspielte.“
    Vater Verhoven war bei diesen Worten zu einem Regal getreten, das dicht neben dem Flügel stand. Ihm entnahm er jetzt einen Stapel eng beschriebener Notenblätter.
    Peter von Bertelmann war aufgestanden und jetzt neben den Blinden an den Flügel getreten. Er besah sich die Noten und blätterte in ihnen. „Ein Jammer, daß das alles so herumliegt — --“
    Und jetzt plötzlich machte er dem Blinden den Vorschlag, diese Arbeiten zumindest teilweise zu veröffentlichen und in großen Konzerten herauszubringen. Das Ganze sei natürlich eine Geldfrage. Aber er habe ja seinen Impresario. Dieser Portugiese sei tatsächlich märchenhaft reich.
    „Du müßtest dich allerdings damit abfinden, daß die Arbeiten nicht unter deinem Namen erscheinen. Ein unbekannter Komponist, das ist immer ein Risiko für einen Verlag, genauso wie für einen Konzertagenten —“
    Nun war es heraus.
    Peter von Bertelmann ließ dem Blinden eine halbe Minute Zeit. Dann sprach er weiter. Aber jetzt schneller als vorher.
    „In Amerika zum Beispiel ist das an der Tagesordnung. Schriftsteller, die große Namen haben, die aber schon ausgeschrieben sind, nehmen sich jüngere, begabte Autoren, denen noch etwas einfällt. Und nun erscheinen deren Romane oder Theaterstücke unter dem bekannten Namen des Älteren. Sie teilen sich die Einkünfte und jedem ist damit geholfen Peter von Bertelmann suchte lauernd im Gesicht des Blinden nach irgendeiner Äußerung, wartete gespannt auf irgendein Wort. Aber er konnte schließlich nur mit Verwunderung feststellen, daß Vater

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