Die Fuenfzig vom Abendblatt
interessiert weiter in einer dicken Akte, deren Blätter eng beschrieben vor ihm lagen.
„Sieh mal einer an, das Abendblatt persönlich Kriminalkommissar Haustecher schaute jetzt zu dem Jungen auf, der da nun plötzlich in seinem roten Rollpullover vor ihm stand. „Nehmen Sie Platz, Herr Madelung.“
Der Kriminalkommissar klappte seine Akte zu und wies auf einen Holzstuhl vor seinem Schreibtisch.
Aber Harald war zu überrascht, um sich jetzt einfach setzen zu können. Er war ja auf einiges gefaßt gewesen. Schließlich befand er sich bei der Kriminalpolizei. Aber daß man ihn hier sofort mit seinem Namen anreden würde, das hatte er doch nicht erwartet. Er blieb also stehen und fragte mit unverhohlener Neugierde, woher der Herr Kriminalkommissar wisse, wie er heiße.
Haustecher packte seine Frühstücksstullen in das Pergamentpapier zurück und verschloß wieder seine Thermosflasche. „Sie scheinen keine allzuhohe Meinung von der Kriminalpolizei zu haben. Sonst müßten Sie sich doch an Ihren fünf Fingern abzählen können, daß Sie mir bekannt sind. Daß wir wenigstens die Leute kennen, deren Namen und Bilder in den Zeitungen abgedruckt werden, das ist wohl das mindeste, was man von uns erwarten kann---“
Harald atmete erleichtert auf. Das „Grüne Band“, natürlich. Daher kannte ihn der Beamte. Jetzt erst setzte er sich.
Kriminalkommissar Haustecher war einer der fähigsten Leute der Kriminalpolizei. Das hatte äußerlich allerdings nicht so den Anschein. Man hätte ihn, wenn man ihn so sah, für einen sehr durchschnittlichen Mann von etwa fünfzig Jahren gehalten. Er war vom gemütlichen Typ jener Männer, mit denen man herrlich Skat spielen kann. Bestimmt war er Briefmarkensammler und hatte keine Ahnung vom Fußball oder gar von Jazzmusik.
Das einzige, was an diesem gemütlichen Manne etwas verdächtig schien und deshalb auffiel, waren seine schwarzen, lebhaften Äuglein, die nie still standen. Sie waren seltsam klar und sprangen aus dem sonst recht langweiligen Gesicht heraus wie zwei blankgeputzte kleine Fensterscheiben. Diesen Äuglein entging sehr wenig. Darüber hinaus verfugte Kriminalkommissar Haustecher noch über ein sehr gut funktionierendes Gedächtnis, das jeden Namen und jedes Gesicht, das ihm je einmal über den Weg gelaufen war, für alle Zeiten festhielt wie eine Registriermaschine. Eine beträchtliche Anzahl von Spitzbuben, die nun am Rande der Stadt hinter Gittern saß, hatte das schon zu spüren bekommen.
„Nun, mit was kann ich dienen?“ Kriminalkommissar Haustecher lehnte sich in seinem Sessel zurück, wie wenn er nur ganz harmlos über das Wetter plaudern wollte.
„Sie bearbeiten doch die Geschichte mit dem Falschgeld. So stand das wenigstens in der Zeitung. Kriminalkommissar Haustecher, zweiter Stock, Zimmer 218 —“ Harald wollte keine langen Umwege machen.
Der Beamte nickte und lächelte dabei. „Sehr wohl, mein Junge —“
„Wie weit sind Sie mit der Sache? Haben Sie schon irgendwelche Spuren oder Anhaltspunkte —“
Als diese Frage jetzt heraus war, fühlte Harald unwillkürlich, daß er damit doch wohl etwas zu weit gegangen sei. Er wurde noch nachträglich rot im Gesicht wie ein junger Backfisch.
Aber der Beamte schien diese Frage durchaus zu billigen. Er faltete die Hände über seiner Weste zusammen und ließ seine Daumen umeinanderkreisen wie zwei kleine Windmühlenflügel.
„Leider fische ich noch vollkommen im Trüben. Ich habe wohl einen Köder ausgeworfen, aber bisher hat noch keines der Fischlein angebissen. Wie gesagt leider. Sehr leider, sogar —“ Er zog ein Gesicht, als ob er erzählt hätte, daß eines seiner fünf Kinder plötzlich an Pocken erkrankt sei.
Harald hatte diese Antwort mit sichtlicher Genugtuung aufgenommen. Jetzt griff er in seine Tasche und holte einen großen gelben Briefumschlag heraus. Aus diesem Briefumschlag nahm er sehr behutsam zwölf fast nagelneue Zehnmarkscheine. Er faßte sie nur mit zwei Fingern an wie mit einer Zuckerzange und lege sie vor Kriminalkommissar Haustecher auf einen Aktendeckel. „Vielleicht ist das von Interesse für Sie. Es sind durchweg falsche Scheine.“
„Woher sind die Noten?“ Kriminalkommissar Haustecher schien nun doch auf einmal recht interessiert zu sein. Die beiden Windmühlen seiner Daumen waren plötzlich ruckartig stehengeblieben. Harald aber stand unwillkürlich auf, ging ein paar Schritte kreuz und quer durch das Zimmer, bis er dann vor einem Bücherregal stehenblieb. „Ich
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