Die Fuenfzig vom Abendblatt
Leberwurst betrifft, so war sie für die Dogge Daniela bestimmt. Und mit dieser Dogge Daniela hatte Harald so seine Pläne.
Um es ehrlich zu sagen: Besuch, Blumen und Leberwurst waren Teile eines Planes. Also genau berechnet.
Ein Skandal, der in der Luft lag
Die Menschen drängten sich heute vor dem Unionhaus wie zu einem sensationellen Boxkampf.
Sie standen die breiten Steintreppen herunter bis zur Straße und hofften alle, im letzten Augenblick doch noch eingelassen zu werden. Obgleich sämtliche Eintrittskarten schon seit Tagen ausverkauft waren.
Impresario Emilio Vargas, der sich in dem Vorraum neben der Kasse auf einen Stuhl gestellt hatte, bat die Andrängenden um Verständnis. Er hätte ohnehin schon mehr Stühle in den Saal stellen lassen, als es vor der Polizei zu verantworten wäre.
„Nein, wirklich nicht — muolto perdacciacone! — aber es ist nicht möglich! Ich können niemand mehr einlassen! Es haben keine Sinn zu warten---“
Der dicke Portugiese fuchtelte mit den Händen durch die Luft wie ein Jahrmarktsredner. Sein breites Gesicht war feucht und glänzte förmlich. Der weiße steife Kragen, der noch vor einer Viertelstunde aufrecht und festlich seinen Hals umrahmt hatte, war durchschwitzt und kläglich zerknautscht.
Mit Mühe und Not gelang es jetzt einigen Schupos, wenigstens einen schmalen Gang frei zu machen, damit die Besitzer gültiger Eintrittskarten auf ihre Plätze gelangen konnten.
Pünktlich um zwanzig Uhr wurden die schmalen, hohen Saaltüren geschlossen.
Über den langen Reihen des Parketts lag heute von Anfang an eine deutliche Spannung. Die Luft in dem weiten, hohen Raum war von der ersten Minute an wie mit Elektrizität geladen.
Noch hörte man das Geräusch gedämpfter Unterhaltungen im Saal. Man machte sich gegenseitig auf verschiedene Persönlichkeiten aufmerksam, die in den ersten Reihen saßen oder in den Logen Platz genommen hatten.
Dabei zeigte es sich, daß so ziemlich alle führenden Persönlichkeiten der Stadt und der Wirtschaft vertreten waren. Von Fräulein Paula Kaschke angefangen, die den Länder-Rekord im 100-m-Freistilschwimmen hielt, bis zu Max Marten, der gerade die erfolgreiche Premiere seines Lustspielfilms hinter sich hatte. Er war ein bekannter Leinwandstar und erfreute sich großer Beliebtheit.
Ganz offenbar ging es heute den meisten Besuchern nicht um die Musik und das Konzert, ihnen ging es um die Sensation.
Heute mußte im Pressekrieg um diesen Peter von Bertelmann hier im Unionhaus die Entscheidung fallen!
Kurz nach dem ersten Klingelzeichen betrat der Allgewaltige vom Abendblatt die rechte Proszeniumsloge. Professor Beckmann befand sich mit vier weiteren Herren, den Leitern der Musikhochschulen aus Berlin und Zürich, in seiner Begleitung.
Die Aufmerksamkeit des ganzen Saales wandte sich augenblicklich der Gruppe dieser Männer zu.
Man raunte und flüsterte und schaute in aller Offenheit in ihre Richtung.
„Der mit den weißen Haaren, das ist Beckmann. Sieht für ,altes Eisen 1 noch ganz knusprig aus Jimmy Rox puffte seinen Nebenmann Freddy Baiton grinsend in die Seite. Er war Schwergewichtler und hatte am vergangenen Abend diesen Freddy Baiton in neun Runden nach allen Regeln der Kunst ausgepunktet.
„Und das da, der große, breite — das ist Voss vom Abendblatt?“
Ellida Touri, die im Film immer junge Backfische spielte, schaute fragend mit ihren großen Kulleraugen zu Max Marten hinüber. Sie schob sich dabei ein großes Schokoladenpraline in den Mund. Max Marten aber lächelte sein bekanntes Chlorodontlächeln, das ihn so bekannt gemacht hatte, und nickte zustimmend.
Der Chef des Nachtexpreß hatte in einer Mittelloge des ersten Ranges Platz gefunden. Er unterhielt sich lebhaft mit einem schlanken, dunkelhaarigen Menschen, der weit zurückgelehnt neben ihm saß.
„Mattoni von der Mailänder Scala.“
Einer der Platzanweiser zeigte mit seinem Programmheft in die Richtung des Dunkelhaarigen. Der Nachtexpreß hatte gestern ein Bild von ihm veröffentlicht und einen Artikel, in dem der Italiener für Peter von Bertelmann Stellung genommen hatte.
Beim zweiten Klingelzeichen nahmen die Philharmoniker ihre Plätze ein. Sie griffen nach ihren Instrumenten und setzten sich auf ihren Stühlen zurecht.
Nun blendeten auch schon die Saallichter ab, bis nur noch das Orchester von den Scheinwerfern angestrahlt war.
Und jetzt betrat Peter von Bertelmann das Podium.
Am vergangenen Sonntag noch ein Unbekannter, war heute sein Name in
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