Die Fuenfzig vom Abendblatt
korrigieren, verfiel man jetzt ins Gegenteil. Allen voran der Nachtexpreß. Jeden Abend brachte er neue Artikel über die Musik des „Meisters“, wie man den Komponisten bereits nannte. Man entfesselte eine regelrechte Diskussion. Die bekanntesten Namen tauchten auf. äußerten sich lobend und bestätigten nachträglich die Urteile der Kritiker. Ja, man scheute nicht davor zurück, den Chef der Musikhochschule seiner ablehnenden Haltung wegen anzugreifen. Professor Beckmann wurde als „altes Eisen“ abgetan, und man warf ihm vor, jungen, revolutionären Kräften mit seinem mangelnden Verständnis für moderne Musik im Wege zu stehen.
So war Peter von Bertelmann über Nacht mindestens genau so populär und bekannt geworden wie ein Schallplattenstar. Man verfolgte den Pressekrieg wie ein spannendes Fußballspiel.
Am Nachmittag kam einer der Botenjungen vom Direktionsgebäude in den Hinterhof zur Horde gerannt.
„Siebzehn Uhr Redaktionssitzung!“
Das waren noch dreißig Minuten.
Da man sich bereits für den Abend eingefunden hatte, waren die drei „Abgeordneten“ anwesend. Sie bemühten sich also zur Wasserleitung, und als sie dann in ihren Sesseln um den breiten Konferenztisch saßen, glänzten ihre glattgestriegelten Haare noch, als hätte man sie eben erst aus der Badewanne gezogen.
Heute war Professor Beckmann persönlich erschienen, und Mr. Voss hatte inzwischen die Sitzung eröffnet.
„Über die neuerliche Reklamewalze des Nachtexpreß brauchen wir kein Wort zu verlieren. Dieses ganze Meer von Plakaten wird unserer lieben Konkurrenz nicht einen einzigen Leser mehr einbringen und uns keinen wegnehmen. Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe.“
Der Chef des Abendblattes griff jetzt in einen Stapel verschiedener Zeitungen, die man ihm vor seinem Sessel auf den Tisch gelegt hatte. Er packte all diese Blätter mit einem Griff, hob sie ein wenig vom Tisch und ließ sie dann wieder zurückfallen wie einen Haufen schmutziger Wäsche.
„Das hier steht heute allein zur Debatte. Die gesamte Presse hat sich des Falls Peter von Bertelmann angenommen. Ihre Angriffe richten sich dabei mit Einmütigkeit gegen das Abendblatt. Die Heftigkeit, mit der sich jedes dieser Blätter verteidigt, ist ein offenes Eingeständnis ihrer Schuld. Getroffene Hunde bellen! Dem Lärm ihres Bellens nach zu urteilen, haben wir sie gut getroffen
„Sehr richtig!“ Professor Beckmann war aufgesprungen.
Unwillkürlich lächelte der Allgewaltige und wandte sich jetzt an den Gelehrten.
„Da Sie nun schon einmal stehen, Herr Professor, darf ich
Sie bitten, uns Ihre Meinung darzulegen. Dabei möchte ich mein Bedauern über die persönlichen Angriffe aussprechen, die vor allem der Nachtexpreß gegen Sie gerichtet hat. Schließlich kamen Sie zu dieser Ehre allein durch die Tatsache, daß Sie in unserer Zeitung das Wort ergriffen haben „Von dieser Seite und in diesem Zusammenhang angegriffen zu werden, rechne ich mir zur Ehre an Der weißhaarige Gelehrte verneigte sich leicht in Richtung des Allgewaltigen und stützte sich dann mit beiden Händen auf die Kante des Konferenztisches.
„Der Nachtexpreß lügt. Er lügt mit einer Frechheit, die erstaunlich ist. Ich habe mir die Mühe gemacht, alle seine bisherigen diesbezüglichen Artikel zu lesen, und habe auch alle übrigen Zeitungen studiert. Ich habe dabei nicht einen Satz gefunden, der die Musik Peter von Bertelmanns auch nur im geringsten in Frage stellt. Es steht einfach fest, daß dieser Mann ein Genie ist, daß seine Werke als Markstein in die Musikgeschichte eingehen werden und daß alle seine Gegner, insbesondere das Abendblatt und dieser Professor Beckmann, von Musik keine Ahnung haben Professor Beckmann unterstrich jetzt jedes Wort mit dem Knöchel seines Zeigefingers auf der Holzplatte des Tisches.
„Angesichts dieser Angriffe und trotz der ganzen Hallelujachöre in jenen Zeitungen stelle ich nach wie vor fest, daß die im Unionhaus gespielte Musik Peter von Bertelmanns schlecht war. Und ich wage vorauszusagen, daß auch seine neue Musik, die er am kommenden Sonntag in einem weiteren Konzert angekündigt hat, nicht besser sein wird. Allerdings und nun hob der Gelehrte seinen Arm in die Höhe wie eine Fahne „-allerdings habe ich mich dieses Mal des Besuches verschiedener Autoritäten aus Berlin und Zürich versichert, die mir ihr Kommen bereits zugesagt haben. Ich werde nach dem Konzert am Sonntagabend mit meiner Meinung also nicht mehr allein dastehen Der Gelehrte
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